Donnerstag, 18. Oktober 2018

Jessie Burton: Das Geheimnis der Muse

Quelle: Pixabay/Mampu
Eine Geschichte um zwei Frauen, einem Gemälde, dem Spanischen Bürgerkrieg und dem London der 60er Jahre ... Jessie Burton erzählt in ihrem Roman "Das Geheimnis der Muse" ebendiese Geschichte in 2 Handlungssträngen auf unterschiedlichen Zeitebenen. Wie der Titel schon sagt, geht es hierbei um ein Geheimnis, dessen Auflösung mich während der kompletten Lektüre beschäftigt hat.

Im Andalusien der 30er Jahre trifft die talentierte, doch verkannte Malerin Olive Schloss auf den Künstler und Revolutionär Isaac Robles. Sie ist Engländerin, 19-jährig, und lebt mit ihren Eltern zurückgezogen auf einem Landgut in der Nähe des Dorfes Arazuelo. Die Familie ist wohlhabend. Vater Harold ist Kunsthändler. Den einzigen Kontakt zu den Einheimischen haben sie über das Geschwisterpaar Teresa und Isaac Robles. Teresa kümmert sich um den Haushalt der Familie Schloss. Olive hält ihr Talent unter Verschluss. Einzig die beiden Geschwister kennen Olives Geheimnis. Olive lebt zu einer Zeit, in der  die Malerei eine Männerdomäne ist und Frauen jegliches Talent für die Kunst abgesprochen wird. Zu den Ignoranten zählt auch Olives Vater, der sich lieber von den Malkünsten von Isaac verzaubern lässt und ihn als seine Entdeckung feiert. Er vermittelt Isaacs Bilder an die weltweit bekannte Kunstsammlerin Peggy Guggenheim.
"Er hatte immer die Meinung vertreten, dass Frauen natürlich einen Pinsel in die Hand nehmen und malen könnten, aber sie hätten einfach nicht das Zeug dazu, Kunst zu schaffen."
Quelle: Suhrkamp/Insel Verlag
Der spanische Bürgerkrieg macht auch vor Arazuelo nicht Halt und hat katastrophale Auswirkungen auf das Leben der Protagonisten.

Etwa 30 Jahre später, im London der Swinging Sixties fängt Odelle Bastien, frisch aus Trinidad eingetroffen, eine Stelle in dem Londoner Skelton Institute of Art an. Sie hat den Traum, Schriftstellerin zu werden. Ihre Vorgesetzte Marjorie Quick ist eine charismatische alte Dame, sehr stilvoll, vornehm und resolut. Eines Tages taucht im Skelton ein Bild auf, das Quick völlig aus der Bahn wirft. Mit der Zeit wird klar, dass es sich hierbei um das verschollene Gemälde "Rufina und der Löwe" von Isaac Robles handelt.
Man ahnt, dass Quick einen Bezug zu dem damaligen Geschehen in Andalusien hat. Nur welcher, lässt sich nicht so leicht herausfinden. Die Autorin Jessie Burton lässt den Leser im Unklaren, lässt aber viel Platz für Spekulationen, die auch durch den stetigen Wechsel zwischen den beiden Zeitebenen gefördert werden. Erst zum Ende wird klar, welche Rolle Quick damals gespielt hat, und was es mit dem Gemälde auf sich hat.
"'... Spaniens Vergangenheit ist ein Stück Fleisch, das am Haken des Metzgers verwest. Als der Bürgerkrieg zu Ende war, verbot man den Menschen, zurückzublicken: Sie sollten die Schmeißfliegen nicht sehen, die um das Fleisch schwirrten. Und bald merkten die Spanier, dass sie gar nicht mehr dazu imstande waren, den Kopf zu drehen, und auch, dass es keine erlaubte Sprache gab, ihren Schmerz auszudrücken. Aber die Bilder wenigstens sind noch da. Guernica, die Werke von Dalí und Miró - und jetzt Rufina und der Löwe, eine Allegorie Spaniens, eines wunderschönen Landes, das im Krieg mit sich selbst ist, das seinen Kopf in den Händen hält, das dazu verdammt ist, bis in alle Ewigkeit von Löwen gejagt zu werden.'"
Bei diesem Roman punkten die Geschichte und der Aufbau. Die mysteriöse Geschichte um das Gemälde ist faszinierend. Der stetige Wechsel zwischen den beiden Zeitebenen ist kurzweilig. Hinzu kommen Charaktere, die mit Stärken und Schwächen gezeigt werden. Die Schwächen geben allen Grund zur Kritik an der jeweiligen Person. Trotzdem wird es keine Parteiname für einzelne Charaktere geben. Das ist ungewöhnlich, neigt man als Leser doch dazu, seine Gunst je nach Sympathie und Antipathie zu verteilen. Doch das wird hier nicht passieren.
Wer mit literarischem Anspruch an den Sprachstil und dieses Buch herangeht, ist hier fehl am Platze. Die Sprache wird bei diesem Roman zur Nebensache. Doch die Autorin sorgt mit einem geschmeidigen und lebhaften Sprachstil dafür, dass ein guter Lesefluss garantiert ist, und man sich als Leser voll und ganz von der Geschichte verzaubern lassen kann.

Fazit:
Fesselnde Unterhaltung durch eine faszinierende Geschichte! Daher Leseempfehlung!

© Renie



Über die Autorin:
Jessie Burton, 1982 in London geboren, hat Englisch und Spanisch in Oxford sowie Schauspiel an der Central School of Speech and Drama studiert. Ihr erster Roman Die Magie der kleinen Dinge (2014) wurde mehrfach ausgezeichnet, derzeit wird er von BBC One fürs Fernsehen verfilmt. 2016 erschien ihr neuer Roman Das Geheimnis der Muse. Ihre Bücher wurden in 38 Sprachen übersetzt und sind internationale Bestseller. Jessie Burton lebt in London und arbeitet an ihrem dritten Roman. Außerdem erscheint im Herbst 2018 ihr erstes Kinderbuch. (Quelle: Suhrkamp/Insel Verlag)