Quelle: Kirchner PR/kunstanstifter |
Die Kurzgeschichte "Eisbären" gibt dieses nächtliche Gespräch unter Eheleuten wieder. Erzählt wird allein aus ihrer Perspektive. Sie versucht, Walther von ihren Gefühlen zu überzeugen, indem sie Erinnerungen an glückliche Momente heraufbeschwört, die Beweis für ihre intensive Bindung sind. Ob sie ihren Mann von ihrer Liebe überzeugen kann? Man wünscht es ihr.
"Walther, sagte sie, nicht Schatz, nicht Liebling, sie nannte nur seinen Namen, aber sie streckte im Dunkeln ihre Arme nach ihm aus. Aber ihr Mann kam nicht herüber, um sich zu ihr auf den Bettrand zu setzen. Er blieb, wo er war und wo sie nicht einmal die Umrisse seiner Gestalt wahrnehmen konnte."
Das Gespräch findet im dunklen Schlafzimmer statt. Daher fehlt jeglicher visueller Bezug zu der Situation. Die Handlung besteht ausschließlich aus dieser ernsthaften Unterhaltung und konzentriert sich voll und ganz auf die Emotionen, die diese Situation beherrschen.
Hier kommen die Illustrationen von Karen Minden ins Spiel. Durch ihre Bleistiftzeichnungen erwachen die Erinnerungen und die Gefühle der Eheleute zum Leben. Dabei wirken ihre Figuren eigentümlich reduziert, was nicht nur an den Grautönen liegt. Es gibt so gut wie keine Mimik bei den Charakteren. Und dennoch strahlen die Illustrationen eine Ausdruckskraft aus, die mir sehr nahe gegangen ist.
Ich bin ein großer Freund illustrierter Geschichten. Hier steht in aller Regel der Text im Mittelpunkt und wird durch Illustrationen ergänzt. Doch in "Eisbären" ist das anders. Das ist das erste Mal, dass ich die Illustrationen intensiver erlebt habe als den Text.
Die Geschichte von Marie Luise Kaschnitz (1901 bis 1974) ist dabei sehr empfindsam und emotional. Doch die Aussagekraft der Illustrationen von Karen Minden überbietet den Text um einiges mehr. "Eisbären" ist daher eine Augenweide, die einen besonderen Platz in meinem Buchregal erhalten wird.
© Renie