Donnerstag, 29. Oktober 2015

Ben Aaronovitch: Die Flüsse von London

Covent Garden ist eines meiner Lieblingsviertel in London. Eine wuselige Mischung aus Kultur und Shopping. Die kleinen, originellen Läden sowie die unzähligen Straßenkünstler tragen zu einer besonderen Atmosphäre bei. Vor einigen Wochen saß ich noch hier im "Punch & Judy" bei einem Pint of Bitter und genoss den Trubel in den alten Markthallen.
Quelle: Wikimedia Commons

Und hier, in Covent Garden, beginnt auch das Buch, welches mich auf meiner Reise nach London begleitet hat und in welchem Punch & Judy eine besondere Rolle spielen.
Dieses Buch mit nach London zu nehmen, war eine gute Entscheidung.
Denn während ich mir tagsüber die Füße platt gelaufen habe, konnte ich mich abends mit diesem Buch entspannen und die Straßen und Gegenden, in denen ich tagsüber unterwegs war noch einmal unter völlig neuen Aspekten erleben. Was das für Aspekte sind, möchte ich hier erzählen.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Jean-Paul Didierlaurent: Die Sehnsucht des Vorlesers

Schon mal darüber nachgedacht, was mit Büchern geschieht, die nicht verkauft werden? Ein Großteil dieser Bücher erwartet ein grausames Schicksal: sie werden recycelt. Nun sollte man meinen, dass Recycling etwas Positives ist, von wegen Material, das wiederverwertet wird. Jedoch nicht für den Bibliophilen! ;-)

Für einen Bibliophilen ist der Vorgang des Recyclings von Büchern grausam. Man stelle sich all die Bücher vor, die LKW-weise in eine gigantische Maschine gekippt werden und dort mit einem Höllenlärm zerfleddert, zerhächselt, zermatscht werden. Mich schüttelt’s bei dieser Vorstellung.

Leider gibt es Menschen, die den lieben langen Tag nichts anderes machen, als Bücher zu zerstören- ganz einfach, weil es deren Beruf ist. Guylain Vignolles ist einer davon… und er hasst seinen Beruf.

„Fett und bedrohlich thronte die Bestie mitten in der Werkhalle. Ja, ‚die Bestie‘: Über fünfzehn Jahre arbeitete Guylain nun schon in der Fabrik, aber bis heute weigerte er sich, ihren richtigen Namen laut auszusprechen, denn irgendwie glaubte er, dass er damit ihre Gräueltaten gutheißen würde, und das wollte er wirklich unter keinen Umständen. Sie nicht bei ihrem wahren Namen zu nennen war für ihn eine Art Schutzwall, der ihn davor bewahrte, ihr auch noch seine Seele zu verkaufen. Nein, das durfte nie geschehen: Die Bestie musst sich mit der Arbeit seiner Hände begnügen.“ (S. 22)
Guylain Vignolles liebt Bücher. Unglücklicherweise arbeitet er in einer Papierverwertungsfabrik. Leider kann man sich nicht immer aussuchen, wie man seinen Lebensunterhalt verdient. Guylain ist ein schüchterner und unscheinbarer Typ. Doch er hat ein Geheimnis. Jeden Tag gelingt es ihm, dieser grausamen Maschine, die seine Lieblinge zerstört, heimlich ein paar Blätter zu entreißen. Und jeden Morgen im Regionalzug auf dem Weg zur Arbeit liest er seinen Mitreisenden aus diesen Seiten vor. Egal, worum es in diesen Texten geht – Roman, Kochbuch, Reiseführer – seine Mitreisenden lieben ihn dafür.

Guylain sitzt immer auf dem gleichen Platz in dem Zug. Eines Tages findet er vor seinem Sitz einen USB-Stick, den er an sich nimmt. Und mit dem Inhalt dieses Sticks ändert sich sein Leben von Grund auf.

Freitag, 16. Oktober 2015

Andreas Hagemann: Xerubian - Aath Lan'Tis

Vor einiger Zeit stellte sich Andreas Hagemann bei Whatchareadin mit den Worten vor, er schreibe witzige Fantasy und seine Bücher sollen die Leser zum Lachen bringen, aber auch zum Nachdenken anregen. Sein Fantasyroman "Xerubian" wäre nicht so wie andere Fantasybücher. Ok, das ist leicht gesagt. Aber ich bin neugierig geworden. Eigentlich bin ich ja eher zurückhaltend, was die Lektüre von Fantasybüchern angeht. Es gibt nur ganz wenige Fantasy-Autoren, die ich lese. Tad Williams und Walter Moers gehören dazu; und ich liebe die Scheibenwelt-Bücher von Terry Pratchett. Daher bin ich mit einer sehr großen Erwartungshaltung an "Xerubian" heran gegangen. Und was soll ich sagen, Xerubian hat meine Erwartungen übertroffen. Und jedem, der gerne Terry Pratchett liest, kann ich "Xerubian" wärmstens empfehlen. Ein echter Geheimtipp!
Worum geht es in dem Buch?
In einer Stadt namens Punkt in der Welt Xerubian findet ein Verbrechen statt. Ein Gegenstand unschätzbaren Wertes wird aus der Kathedrale von Punkt gestohlen. Dalon, Inspektor der königlichen Polizei, beschäftigt sich mit der Aufklärung des Verbrechens. Dabei wird er von Martandi, einem Kollegen des königlichen Nachrichtendienstes unterstützt sowie den Drachen Nerol, Dragon und Muliks. Auf der Suche nach dem Täter begibt sich das Fünfergespann auf eine abenteuerliche Reise mit einem fantastischen Ziel.
"Irgendwie entwickelt sich die Reise zu einem größeren und vor allen Dingen unkalkulierbareren Abenteuer, als er es sich ausgemalt hat." (S. 235)
Die Charaktere
Inspektor Dalon ist so etwas wie ein Antiheld. Er steht kurz vor der Penionierung und versucht, möglichst unauffällig durch den Alltag zu kommen und sich nicht in seiner Bequemlichkeit stören zu lassen - weder durch seine Arbeit noch durch seine nervige Ehefrau. Die Aufklärung des Diebstahls ist für ihn die willkommene Gelegenheit, endlich aus dem Alltagstrott auszubrechen und sein Leben umzukrempeln.
"Bereits vor Jahren hat er sich nämlich angewöhnt, nicht mehr dem 'Prinzip der zehn großen A der kollegialen Zusammenarbeit' zu folgen: 'Alle anfallenden Arbeiten auf andere abschieben, anschließend anscheißen, aber anständig.'" (S. 33)
Der junge Martandi ist beim königlichen Nachrichtendienst beschäftigt. Er ist pflichtbewusst und ehrgeizig. Mit seinem Scharfsinn unterstützt er Dalon bei der Aufklärung des Verbrechens und hilft ihm das eine oder andere Mal aus der Patsche.

Und dann sind da noch die Drachen:
Anfangs lernt man die Drachen Nerol und Dragon als Haustiere und Transportmittel von Dalon und Martandi kennen. Doch mit der Zeit übernehmen sie einen großen Part in der Geschichte. Sie haben etwas "Menschliches" an sich, was nicht allein daran liegt, dass sie sprechen können.
Nerol ist ein verfressener Tollpatsch - ich fühlte mich immer an Obelix, den dicken Gallier erinnert, der in den Comics nie weiß, wohin mit seiner Kraft, aber das Herz auf dem rechten Fleck hat.
Dragon ist eher der smarte Draufgänger. Zwischen den beiden Drachen stimmt die Chemie, sie scheinen sich hervorragend zu ergänzen. Die beiden werden Freunde und haben einen Höllenspaß miteinander. Manchmal benehmen sie sich wie kleine Kinder und strapazieren die Nerven ihrer Besitzer.
Der dritte Drache ist Muliks, der eher zufällig in die Gruppe kommt. Wohingegen Nerol und Dragon riesengroß sind und Feuer speien können, ist Muliks eher der untypische Drache. Er hat ganz andere Qualitäten als die beiden Großen.
"Es ist Nerol, der in die Rückenlage gerollt ist, um nach dem Erwachen erst einmal genüsslich alle viere von sich zu strecken. Mit dem kurzen Schütteln der nicht gerade grazilen Gliedmaßen erhebt er sich laut polternd, verschließt mit der Pranke das rechte Nasenloch und bläst nach einem tiefen Atemzug einen beachtlichen Feuerstrahl durch das linke aus. Dasselbe dann noch einmal auf der anderen Seite - und schon blickt er halbwegs munter in die Runde. Natürlich bleiben ihm die Blicke, die seine eigenwillige Morgentoilette begleiten, nicht verborgen." (S. 123)
Ich versuche bewusst, möglichst wenig über den Inhalt zu verraten. Denn, was bei diesem Buch einen Riesenspaß macht, sind die großen und kleinen Überraschungen. Es ist gar nicht so sehr die Geschichte, die mich begeistert hat, sondern eher der Humor, der mit einer großen Portion Ironie und Sarkasmus gewürzt ist. Außerdem beweist Andreas Hagemann Sinn für Details. Egal, auf welcher Seite man in diesem Buch ist, man hat zu jeder Zeit den Eindruck, dass die Figuren und die Welt "Xerubian" mit "viel Liebe" und "Herzblut" entwickelt worden sind. Und das macht Spaß und überzeugt.
"Neben einem kleinen Fenster der Tür gegenüber steht ein völlig verstaubtes Regal, das sich unter der Last zahlreicher und zum Teil offensichtlich antiken Büchern biegt. Hinter den Glastüren eines mindestens ebenso alten Schrankes kann Dalon gläserne Gefäße mit eigenartigen Pflanzen und konservierten Lebewesen sehen, die er noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hat. er rutscht auf die Sesselkante vor, um ein paar der Buchtitel aus dem Regal besser erkennen zu können: 'Ich war einmal, also dachte ich' - 'L. S-M.: Die Venus ohne Pelz - Lernen sie lustvoll zu leiden: Ein Handbuch für Kenner und Genießer'" (S. 107)
Dieser Roman ist vieles: Krimi, Fantasy, Märchen und Komödie, oft auch eine Persiflage auf bekannte Fantasyromane. Und eines ist er mit Sicherheit: richtig witzig und unterhaltsam. Wie ich bereits anfangs schon erwähnte lese ich nur ganz wenige Fantasy-Autoren. Andreas Hagemann wird zukünftig dazu gehören. Für November ist die Veröffentlichung der Fortsetzung zu Xerubian geplant. Den Termin werde ich im Auge behalten. Denn ich bin gespannt, wie es mit Xerubian weiter geht.

© Renie

Xerubian - Aath Lan'tis
Autor: Andreas Hagemann
ISBN: 978-3738616682

Andreas Hagemann hat übrigens eine interessante Webseite. Hier erfährt man einiges über die Entstehung des Buches, über die Welt Xerubian, die Charaktere etc., aber auch über das Autorendasein Andreas Hagemanns, und was er macht, wenn er keine Bücher schreibt.

Freitag, 2. Oktober 2015

James Hanley: Ozean

Ein Abenteuerroman "über die menschliche Ohnmacht im Angesicht der Weite des Meeres".

Die Geschichte beginnt mit dem Torpedobeschuss der Aurora. Das Schiff sinkt. Einer Handvoll Männer gelingt es, sich mit einem Rettungsboot in Sicherheit zu bringen. Auf dem Boot befindet sich so gut wie kein Proviant und nur ein Minimum an Trinkwasser. Wann und ob die Männer gerettet werden, ist ungewiss. Und so ziehen die Tage dahin ....

"'Einer tot, einer schläft, einer nicht ganz richtig im Kopf. Einer fürchterlich seekrank.'" (S. 19)
Das Kommando auf dem Boot wird von John Curtain übernommen. Als Besatzungsmitglied der Aurora ist er der Einzige in dem Rettungsboot, der erfahren genug ist, das Boot zu navigieren. Da liegt es nahe, dass Curtain zum Anführer der Gruppe wird. Alle anderen waren als Passagiere auf der Aurora und akzeptieren Curtain's Führungsanspruch, in der Hoffnung, dass er sie aus der Notlage befreien kann.
Quelle: Dörlemann Verlag AG
Es ist schwierig, die einzelnen Mitglieder dieser Gruppe zu beschreiben. Tatsächlich liefert Hanley ein sehr verschwommenes Bild seiner Charaktere. Bei anderen Büchern mag das vielleicht störend sein. Hier ist jedoch die Detaillierung seiner Charaktere unwichtig. Denn im Vordergrund steht die überaus interessante Gruppendynamik, die sich im Verlauf der Handlung herauskristallisiert.
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