Mittwoch, 16. September 2015

Thomas Hardy: Herzen im Aufruhr

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Nachdem sein Buch zuerst verrissen wurde, stellte man plötzlich fest, dass es "ein moralisches Werk sei und ein schwieriges Thema auf ernste Art behandle" - was er selbst im Vorwort schon schrieb.
Das war Grund genug für Thomas Hardy, mit dem Romane schreiben aufzuhören. Und es folgten tatsächlich nur noch einige Erzählungen.

Wir befinden uns im viktorianischen England. Von klein auf, seit der Schulmeister aus dem Dorfe fortzog, war es Judas Wunsch, ihm nach Christminster zu folgen. Doch die Stadt war weit weg. Wie sollte er das schaffen? Nein, sein äußeres Leben spielte sich im Laden seiner Großtante ab. Doch er hatte Träume.

Aber greifbar gegenwärtig, lebensbestimmend wurde ihm die Stadt vor allem durch die eine feststehende Tatsache, dass der Mann, dessen Wissen und Ziele ihm so verehrungswürdig schienen, wirklich und wahrhaftig dort lebte; und nicht nur das - er bewegte sich unter den gedankenreichen, geistig bedeutenden Menschen, die dort ihren Wohnsitz hatten!
Gerade das Richtige für ihn. Und so las er in jeder freien Minute.

Doch dann lernte er Arabella kennen und er ließ sich von seiner Studiererei ablenken. Arabella war berechnend. Sie wollte unbedingt erreichen, dass Judas sie heiratete. Was mich wundert, da er doch im Prinzip ein armer Tropf ist. Gutmütig, gutgläubig - ja, aber nicht reich.

Dann passiert es. In dem Moment, da er sich vornimmt, Arabella zu verlassen und fortzugehen, eröffnet sie ihm, dass sie schwanger ist. Obwohl er andere Träume hatte, steht er zu ihr und heiratet sie. Er ist ein anständiger Kerl.

Um sich selbst zu beschwichtigen, hielt er an einem Bild von ihr fest, das er sich künstlich zurechtgemacht hatte. Was er von ihr dachte, war das Ausschlaggebende, nicht Arabella selbst, sagte er sich zuweilen kurz und bündig.

Ja, insgeheim wusste er, dass Arabella keine gute Vertreterin ihres Geschlechts war.
Sie ziehen in ein kleines Haus, wobei Arabella davon ausgeht, dass es nur vorübergehend ist. So lange, bis Judas Geld verdient und ihr Kleider und Hüte kaufen würde.
Eines Abends eröffnete sie ihm, dass sie sich, was die Schwangerschaft anbelangt, geirrt hat. Judas ist wütend.
Er überlegt, was das für eine Gesellschaft ist, in der er seine jahrelangen Studien fallenlassen musste wegen einer Schwäche, der er nachgegeben hatte.

Mich wundert wirklich, dass Arabella es darauf angelegt hat, Judas zu heiraten. Ihre Rechnung, ihm ein Kind unterzuschieben, das es gar nicht gibt, ging auf. Und dann verlässt sie ihn und geht nach Australien.
Judas Kindheitswunsch erfüllt sich. Er geht nun wirklich nach Christminster. Aber er bekommt keinen Fuß in die Universität. Sein Leben besteht aus tagsüber arbeiten und des Nachts studieren. Bis er seine Cousine Sue trifft und sich kopflos in sie verliebt.
Schön beschreibt Hardy Judes' inneren Konflikt. Ist er doch verheiratet und dürfte Sue nur als Verwandter begegnen.
Und dann muss er miterleben, wie er Sue anscheinend an seinen ehemaligen Lehrmeister verliert. Und er selbst hat das möglich gemacht, indem er dafür gekämpft hat, dass Sue bei ihm als Aushilfslehrerin arbeiten konnte.

Diese "Dreiecksgeschichte" zeigt doch irgendwie die verquere Moral dieser Zeit. Wenn die Ehe nicht funktioniert, darf man sich anscheinend nicht scheiden lassen.
Arabella zum Beispiel nimmt das ganz locker. Sie verlässt einfach ihren Mann und lebt mit jemand anderem zusammen, ja hat im Ausland sogar geheiratet.
Sue und Juda zerfleischen sich fast gegenseitig vor lauter moralischen Fesseln.

Sue hat zwischenzeitlich Richard, den Lehrmeister, geheiratet. Aber auch das ändert nichts an den Gefühlen zwischen Sue und Juda. Sie wissen genau, sie dürfen nicht, aber sie können nicht voneinander lassen.
Juda verbrennt seine religiösen Bücher, um nur als Sünder zu leben. Und Sue flieht aus dem Schlafgemach des Paares. Sie findet es schrecklich und grausam, wie alles eingerichtet ist.

Sue bittet Richard um die Trennung, damit sie mit Jude zusammenleben kann. Das möchte Richard aber nicht zulassen, da sie sonst die Achtung und Zuneigung aller Leute verlieren würde. Was Sue so ziemlich egal war. Aber Richard willigt ein, in seinem Haus getrennt zu leben. Das beruhigte Sue die erste Zeit, doch sie wurde immer unruhiger.
Und so hat Richard Phillotson seine Frau freigegeben. Sie haben ihren Auszug so eingerichtet, als ob sie alleine auf Reisen geht. Nach einer gewissen Zeit wurden aber Fragen in der Stadt und auch in der Schule laut. Im Kollegium musste Richard dann die Wahrheit sagen, dass er seine Frau hat gehen lassen. Was man überhaupt nicht verstehen konnte und ihm nahebrachte, er möge die Schule verlassen. Aber er ließ es auf einen Streit an kommen, nach dem er krank zu Bett lag.
Da wird der Mann dafür bestraft, dass er sich menschlich zeigt.

Sue und Juda leben nun miteinander, bekommen sogar Zuwachs, da Arabella Juda eröffnet, dass er einen Sohn hat und er sich um ihn kümmern muss. Damit alles seine Ordnung hat, wollen die beiden nun endlich heiraten...

Klappt das gemeinsame Leben? Lest selbst.