Freitag, 30. Dezember 2016

A. P. Glonn: Die andere Seite der Realität

Ein phantastischer Jack-the-Ripper-Roman ....

Vom Jahre 1888 an hat Jack the Ripper in London sein Unwesen getrieben. Auf sein Konto sollen damals mindestens fünf Opfer gegangen sein. Wahrscheinlich waren es mehr. Doch woher kam er und wohin ging er? Gefasst hat man ihn nie. Es gab zwar einige Verdächtige, u. a. auch innerhalb der gehobenen Kreise Londons. Man munkelte sogar, dass ein enger Verwandter der damaligen Königin Viktoria der Ripper wäre. Aber wer letztendlich hinter Jack the Ripper steckte, ist nie herausgekommen. Die deutsche Schriftstellerin A. P. Glonn hat in Die andere Seite der Realität aus einer eigenwilligen Theorie einen Roman entwickelt, der die Frage nach der Person Jack the Ripper auf phantastische Art beantworten könnte.

Der Anfang dieses Romanes führt uns nach London. Wie in jedem guten Jack-the-Ripper-Krimi findet eine Unzahl an bestialischen Frauenmorden statt. Im Mittelpunkt steht der Agent Seth Aspen mit seinen Ermittlungen. Er beißt sich an dem Fall fest. Für die Öffentlichkeit erscheinen die Ermittlungen erfolglos. Die Bevölkerung wird unruhig. Die Polizei steht unter Druck. Diverse Verdächtige tauchen auf der Bildfläche auf, leider erweisen sich die Anschuldigungen als falsch. Und in dem Moment, in dem man als Leser denkt "Ok, wieder eine Leiche und ein Verdächtiger mehr", nimmt die Handlung Fahrt auf. Auf einmal wird aus dem „gemütlichen“ Krimi ein Fantasyroman, der es in sich hat.
"'...Hier geht es um weitaus mehr als einen simplen Verrückten, der keine Frauen mag. Das ist politisch hochbrisant. Die Verdächtigenliste liest sich inzwischen wie das Who is Who der englischen Gesellschaft.'" 
Es gibt eine heiße Spur, die nach Amerika führt. Seth nimmt die Verfolgung auf. Man beachte, in der Zeit um 1890 war man noch mit Pferdekutschen und Dampfschiffen unterwegs. Eine Überfahrt von Europa nach Amerika hat ein paar Wochen gedauert. Jack the Ripper hat einen Vorsprung von nur wenigen Tagen, der sich aber in einem riesigen Land wie Amerika als uneinholbar erweisen kann. Doch Seth bekommt Unterstützung von den amerikanischen Behörden. Die Spur des Rippers führt mittlerweile bis nach Kanada. Und dort passiert es: Der Ripper und Seth treffen aufeinander. Nun sollte man meinen, dass die liebe Seele Ruhe hat. Der Ripper ist gefasst? Falsch gedacht. Denn der Ripper besitzt sehr überraschende Fähigkeiten. Die Handlung geht von jetzt an in eine Richtung, mit der man in keinster Weise gerechnet hat, nämlich auf die "andere Seite der Realität".
"Er war ein Mann der Moderne, doch alles, was ihm hier begegnete, war primitiv oder magisch. Wo blieb die Vernunft?"
Seth findet sich auf einmal in einer Parallelwelt wieder. Er, der Kopfmensch, hat es plötzlich mit einer Welt zu tun, in der die Bevölkerung die unterschiedlichsten magischen Fähigkeiten aufweist. Die Jagd nach dem Ripper geht hier weiter. Seth findet dabei Unterstützung in den Bewohnern dieser Welt, die erkannt haben, dass der Ripper auch ihr Dasein bedroht. 

Der Leser begegnet den unterschiedlichsten phantastischen Charakteren: Schattenläufer, Wolfsmänner, Windläufer, Glengalls ... um nur einige zu nennen. Das Zusammenspiel zwischen Seth und den magischen Charakteren, die ihn auf der Jagd nach dem Ripper unterstützen, ist dabei sehr amüsant. Er kann den englischen Gentleman einfach nicht ablegen, was seine magischen Freunde einerseits befremdlich, andererseits aber sehr amüsant finden. 
"Er war hier gestrandet, ein Glengall, ein unmagischer Fremder, dem jeder Bewohner dieser seltsamen Welt etwas antun konnte, dem die Häscher eines Yorcks mit unglaublichen Fähigkeiten auf den Fersen waren, und der möglicherweise von dem Ungeheuer gejagt wurde, das in Whitechapel all diese unglücklichen Frauen abgeschlachtet hatte."
Dem Leser eröffnet sich also mit der "anderen Seite der Realität" eine interessante Phantasiewelt, die aufgrund der magischen Charaktere zu faszinieren weiß. A. P. Glonn hat diese Phantasiewelt akribisch ausgetüftelt. Daher bleibt zu hoffen, dass es nicht bei dieser einen Geschichte bleibt, sondern Glonns Welt Schauplatz für weitere Romane sein wird. Das Ende ist so gestaltet, dass eine Fortsetzung durchaus möglich wäre.

Fazit:
A. P. Glonn ist mit diesem Roman eine faszinierende Mischung aus Krimi, Steampunk und High Fantasy gelungen. Ich gebe zu, dass ich nicht darauf vorbereitet war. Ich habe mich von dem Stichwort „Jack the Ripper“ auf die falsche Fährte führen lassen und mit einem Krimi gerechnet, den man tatsächlich auch im ersten Teil dieses Romanes findet. Jedoch mit Eintritt in die Parallelwelt findet man sich in einem völlig anderen Buch wieder, was der Qualität dieses Romanes jedoch keinen Abbruch tut. Ganz im Gegenteil. Ich lasse mich gern überraschen, insbesondere, wenn diese Überraschung mit soviel Spannung und Unterhaltung verbunden ist wie dieser ungewöhnliche Roman von A. P. Glonn.

© Renie


Die andere Seite der Realität von A. P. Glonn, erschienen im Luzifer Verlag
Ersterscheinung 2014
ISBN: 978-3-943408-40-9