Sonntag, 29. Januar 2017

John Fante: 1933 war ein schlimmes Jahr

Quelle: pixabay/MiriamPereluk
"Ein Kultautor und sein vergessener Roman"! Das ist John Fante mit seinem Roman 1933 war ein schlimmes Jahr. Sogar das sonst so gespaltene Literarische Quartett war sich im Dezember bei der Bewertung dieses Romanes einig und hat sich zu einer 4:0-Wertung herabgelassen. Ich habe das Buch bei einer Leserunde bei Whatchareadin gelesen. Mal sehen, wie hier die Wertung ausgefallen ist ....

Schauplatz dieses Romanes ist eine amerikanische Kleinstadt am Fuß der Rocky Mountains in den 30er Jahren. Dominic Molise, 17 Jahre, säbelbeinig, sommersprossig, rothaarig, etwas größer als ein Hobbit, lebt hier mit seiner italienischstämmigen Familie in sehr einfachen Verhältnissen. Das Geld ist immer knapp. Die Zukunftsaussichten sind hundsmiserabel. Dom träumt von einer Baseball-Karriere. Baseball ist sein Lebensinhalt, dafür tut er alles. Er trainiert wie ein Besessener, hätschelt seinen Wurfarm und gibt sich seinen Fantasien hin, eines Tages in der Profiliga mitzuspielen.
Doch sein Weg ist vorbestimmt. Sein Vater, der die Familie mehr schlecht als recht als Maurer ernährt, erwartet von seinem Sohn, dass dieser in seine Fußstapfen tritt und ihn zukünftig bei dem Unterhalt der Familie unterstützt. Von Dom's Traum möchte er zunächst nichts wissen. 
"Das war's also. Das ganze Buch. Die tragische Geschichte von Dominic Molise, geschrieben von seinem Vater. Teil eins: Nervenkitzel Steineklopfen. Teil zwei: Spiel und Spaß im Sägewerk. Teil drei: Wie man sich vom eigenen Vater das Leben verderben lässt. Teil vier: Hier ruht Dominic Molise, gehorsamer Sohn." (S. 32)
Quelle: Aufbau/Blumenbar
Dom's Eltern führen eine Ehe, die mehr Schein als Sein ist. Die Mutter gibt sich ihrer Frömmigkeit hin, der Vater flüchtet vor seiner bigotten Frau, indem er viel Zeit mit seiner Geliebten verbringt. Hier bekommt er scheinbar die Geborgenheit und Zuneigung, die ihm seine Frau vorenthält. Dom ist zwiegespalten. Einerseits hat er gelernt, Vater und Mutter zu ehren, und dass die Ehe seiner Eltern eine Verbindung ist, die anhalten sollte, bis dass der Tod sie scheidet. Doch erkennt er auch, dass die beiden ihre Liebe zueinander schon längst verloren haben. 

Dom hat auch genug mit sich selbst zu tun. Als pubertärer 17-Jähriger lebt er in einem ständigen Gefühlschaos. Oftmals spielen seine Hormone verrückt. Insbesondere dann, wenn er in die Nähe des Objektes seiner Begierde kommt: die Schwester seines besten Freundes Ken ist zwar älter als er, lässt aber seine Fantasien zur Höchstform auflaufen. Ken's Familie gehört zur reichen Gesellschaft der Stadt. Trotzdem verbindet die beiden Jungen eine tiefe Freundschaft. Ken teilt Dom's Traum von einer Baseball-Karriere und überredet ihn, zusammen auszureißen und ihr Glück gemeinsam bei einem Profiverein suchen.
"Mit spätestens 19 werde ich bereit sein für den großen Erfolg, entweder bei den Cubs oder bei den Phillies, das ist mir egal. Schenk mir die Zeit bis dahin und noch zehn Jahre dazu, lieber Gott, ein knappes Dutzend Jährchen insgesamt, mehr brauche ich nicht, dann kannst du mich gerne totschlagen, wenn es dir gefällt; die zwölf Jahre werden genug für jede Menge Baseball sein, zwölf Baseball-Meisterschaften zu je dreißig Partien, das macht dreihundertsechzig Spiele, viele tausend Würfe und reichlich Gelegenheit für Dom Molise, seinen Namen in der Ruhmeshalle der Unsterblichen zu verewigen." (S. 12)
Der Roman vermittelt von Anfang an eine melancholische Stimmung. Natürlich ist er aus der Sicht von Dom geschrieben. Schon mit den ersten Sätzen hat man ihn in ins Herz geschlossen. Er ist sensibel, kümmert sich um seine Familie, ist sogar bereit, seinen Traum hintenan zu stellen. Das macht aus ihm eine tragische Figur. Denn letztendlich wünscht man ihm, dass es ihm gelingt, seinen Traum zu leben, weiß allerdings auch, dass seine Herkunft der Erfüllung seines Traumes im Wege steht. 
Stellenweise ist der Roman sehr komisch. Insbesondere die Darstellung der pubertären Irrungen und Wirrungen von Dom sind ein echtes Highlight. Sehr lustig ist auch die Beschreibung von Grandma Bettina, die kein Wort Englisch spricht, Englisch nur dann versteht, wenn sie muss und allem Amerikanischen gegenüber misstrauisch ist. Dabei hält sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg - auf Italienisch natürlich!

John Fante war 54 Jahre alt, als er "1933 war ein schlimmes Jahr" geschrieben hat. Er hat in diesen Roman viel von seiner eigenen Geschichte einfließen lassen. Als Kind italienischer Einwanderer ist er selbst in einer Kleinstadt in Colorado aufgewachsen. Das eindrucksvolle Nachwort von Axel Capus, der diesen Roman übersetzt hat, liefert viele Informationen zu John Fante, beschreibt seinen Lebensweg und gibt einen Einblick in das Werk des Autors. John Fante starb 1983. Dieser Roman ist posthum veröffentlicht worden.

Fazit:
Wie anfangs erwähnt habe ich diesen Roman in einer Leserunde bei Whatchareadin gelesen. Nicht nur ich bin von diesem Roman begeistert. Denn das einstimmige Urteil der Leserundenteilnehmer lautet 10:0 für diesen Roman. Deutlicher geht es nicht ;-)

© Renie




ISBN: 978-3-351-05031-3 



Über den Autor:
John Fante, geb. 1909 in Denver als Sohn italienischer Einwanderer, zog als Mittzwanziger nach L.A. In einer Stadt, die aus Filmträumen bestand, war er mehr als fehl am Platz, und so entstand sein unnachahmlicher Stil aus innerer Zerrissenheit, Großmut und erlösenden Rachegelüsten. Sein erster Roman „Warte auf den Frühling, Bandini“ wurde 1938 veröffentlicht, im Jahr darauf folgte „Warten auf Wunder“. Er starb 1983 an einer Folge seiner Diabetes-Erkrankung. Posthum verlieh man ihm den PEN Award für sein Lebenswerk. (Quelle: Blumenbar)