Der Begriff Horrorliteratur (engl. horror = Entsetzen, Schauder) ist in der modernen Literaturwissenschaft eine Sammelbezeichnung für Werke, in denen Unheimliches, Makabres, Schreckenstaten, Furcht oder Abscheu erregende Ereignisse dargestellt werden. Die Bezeichnung umfasst also verschiedene literarische Genres wie z. B. Schauergeschichte oder Gothic Novel. Die Horrorliteratur ist an keine bestimmte literarische Gattung gebunden, am häufigsten ist sie in der Epik zu finden. Die Epik hat die bedeutsamsten Zeugnisse der Horrorliteratur hervorgebracht. Das liegt vor allem daran, dass epische Formen wie Roman, Erzählung, Novelle und Short Story besonders geeignet sind, um den Leser an den Gefühlserlebnissen anderer teilnehmen zu lassen. (Quelle: Bücher-wiki)
Ein hervorragendes Beispiel für die Vielseitigkeit der Horrorliteratur ist die Anthologie „Aus dunklen Federn“, herausgegeben von Sonja Rüther. Ich hatte bereits das Vergnügen, zwei ihrer Bücher zu lesen: ihren intelligenten Thriller „Blinde Sekunden“ sowie ihre originelle Horrorgeschichte „Eine Spur aus Frost und Blut“ - beides Bücher, die mich von ihrer Schreibkunst und ihrem Gespür für das Außergewöhnliche überzeugt haben.
Daher war ich gespannt, was Sonja Rüther zusammen mit ihren Schriftstellerkollegen in der Horroranthologie "Aus dunklen Federn" gezaubert hat.
Thomas Finn, Lena Falkenhagen, Markus Heitz, Hanka Jobke, Boris Koch, Sonja Rüther und Vincent Voss haben also ihre dunkle Feder gespitzt und Horrorgeschichten geschrieben, die unterschiedlicher nicht sein können, sowohl vom Stil her als auch von der Thematik. Diese Geschichten sorgen für Herzklopfen, hoher Pulsfrequenz und Grusel. Und am Ende ist man erstaunt, wie vielseitig Horrorgeschichten sein können.
In ihrem Vorwort beschreibt Sonja Rüther, wie es zu dieser Anthologie gekommen ist, wie sie die Autorinnen und Autoren für ihr Projekt begeistern konnte und welchen Spaß alle bei der Umsetzung dieser Idee hatten. Man merkt diesem Buch den Spaß an. Besonders gelungen sind dabei auch die Zeichnungen und Illustrationen der Autoren und Autorinnen, die diese im Zusammenhang mit ihrer Geschichte angefertigt haben. Diese Illustrationen sind der jeweiligen Geschichte vorausgestellt. Zeichnen ist nicht Jedermann's Sache. Insofern ist es umso bemerkenswerter, dass alle Beteiligten ihren Beitrag geleistet haben (Sonja kann scheinbar sehr überzeugend sein). Durch diese Illustrationen bekommt die Anthologie etwas sehr Persönliches und dadurch Besonderes.
Diese Geschichten findet man in der Sammlung:
Der Rummel von Hanka Jobke .....UNHEIMLICH ….
Diese Geschichte ist der Appetitanreger in der Anthologie. Die Geschichte ist kurz, eigentlich passiert nicht viel.... eigentlich .... und doch macht sich Unbehagen breit. Wie bekommt Hanka Jobke das nur hin?
Keine sieben Tage von Boris Koch .... ENTSETZLICH .....
Eine Geschichte, erzählt aus der Sicht eines Kindes. Entsetzliches geschieht in einem Dorf. Nur, was genau? Keine sieben Tage, in denen sich in einem Dorf die Furcht zur Angst und von der Angst zum Horror entwickelt. Und dann ist das Leben wieder wie es war.
O Tannenbaum von Sonja Rüther ....MAKABER .....
Die Weihnachtszeit bekommt in einer Familie mit einem Mal eine ganz besondere Bedeutung. Man kann daraus nur lernen. Von jetzt an werde ich meinen Weihnachtsbaum mit äußerster Sorgfalt auswählen.
Exemplum von Markus Heitz ... GEHEIMNISVOLL ....
Die Geschichte fängt harmlos an. Auf einmal ist da dieses Unbehagen, das sich langsam zu Entsetzen entwickelt. Plötzlich wird man mit Horrorszenarien konfrontiert, die es eigentlich nicht geben darf. Oder doch? Am Ende der Geschichte betrachtet man sein Spiegelbild mit ganz anderen Augen
Alles ganz normal von Lena Falkenhagen ....VERZWEIFELT .....
Eine Schwangerschaft kann etwas Wundervolles sein, wenn da nicht diese Hormone wären. Und auf einmal wird aus einem Glücksgefühl ein Horrorgefühl.
Bittere Wahrheit von Tom Finn ... WAHNSINNIG ...
Eine Geschichte über einen Mann, der eine merkwürdige Art hat, mit Kritik umzugehen.
Menschliches Versagen von Hanka Jobke ...SCHAUDERHAFT ...
Die täglichen Hiobsbotschaften in den Medien lassen einen abstumpfen. Doch irgendwann horcht man auf. Woher kommen die tagtägliche Gewalt, das Böse und der Zorn. "Menschliches Versagen" bietet einen ungewöhnlichen Erklärungsansatz.
Farben des Frühlings von Vincent Voss .... GRAUENVOLL ....
Eine Geschichte über die schrecklich schöne Idylle eines Rapsfeldes.
Destruenten von Vincent Voss ... GRUSELIG ...
In dieser Geschichte geht es um die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Man sollte meinen, dass dies schon Horror genug ist. Aber Vincent Voss bringt noch einen ganz anderen Horror ins Spiel.
Fräulein Angstfrei von Markus Heitz .... NERVENKITZEL .....
Eine Geschichte, die dem Märchen "Von Einem, der auszog das Fürchten zu lernen." nachempfunden ist.
Walpurgia von Sonja Rüther ... ABSCHEULICH....
Eine Geschichte über eine einsame Frau, die mit ihrer neuen Freundin die Festtage verbringen möchte. Einsamkeit macht wunderlich!
Die Geschichten behandeln Alltägliches aber auch Besonderes. Einige dieser Geschichten sind makaber und komisch, andere sind gruselig und fantastisch. Die Horrorszenarien, die hier kreiert werden, finden Zuhause statt, aber auch im Irgendwo. Die Geschichten können einen subtilen Horror vermitteln, der beim Leser ein anfängliches Unbehagen verursacht, das sich irgendwann steigert und am Ende für erhöhten Puls sorgt. Diese Geschichten kommen ohne viel Blut aus, denn sie spielen mit der Psyche des Lesers und sprechen die dunkle Fantasie an, die wohl in jedem von uns schlummert.
Es gibt aber auch diejenigen Geschichten, die mit Blut geschrieben sind und Ekel verursachen. Und trotzdem liest man diese Geschichten, denn auch Ekel übt eine Faszination aus. Insofern gehören blutrünstige Geschichten einfach zu einer Horror-Anthologie dazu.
Der Leser wird am Ende selbst entscheiden, welcher Horror bei ihm den größten Nervenkitzel verursacht hat.
Bei mir waren es eindeutig die Kurzgeschichten der AutorINNEN. Hier kam der Horror subtil rüber. Wenig Blut, viel Spannung und viel Nervenkitzel! Es geht doch nichts über die dunkle Seite einer Frau.
Ich habe dieses Buch im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin gelesen. Ich habe selten eine Leserunde erlebt, die so lebhaft und lustig war wie diese - was wahrscheinlich auch daran lag, dass die Schriftsteller klar in der Überzahl waren. Da gab es keine Zurückhaltung - weder auf Autoren- noch auf Leserseite. Hier wurde frei "von der Leber" kommentiert, was diese Leserunde zu einem besonderen Erlebnis machte.
Bisher habe ich auf meinem Blog nur ein einziges Horrorbuch besprochen. Insofern kann man nicht behaupten, dass Horror eines meiner bevorzugten Genres ist - das wird es auch nie werden. Und trotzdem habe ich Blut geleckt. Diese Vielfalt des Horrors in "Aus dunklen Federn" hat mich einfach überzeugt. Sollte mir also zukünftig ein interessantes Horrorbuch vor die Lesebrille kommen, wird es vorbehaltlos gelesen. Auf jeden Fall warte ich bereits voller Ungeduld auf die Fortsetzung "Aus dunklen Federn 2", die im Frühjahr 2016 erscheinen soll.
© Renie
Aus dunklen Federn, herausgeben von Sonja Rüther
Verlag: Briefgestöber
ISBN 978-3981557466