Donnerstag, 18. November 2021

Ethan Hawke: Hell strahlt die Dunkelheit

Früher waren Prominente einfach nur das, was sie waren ... prominent. Doch heutzutage ist prominent nicht mehr gleich prominent. Denn man unterscheidet mittlerweile zwischen A-/B- und C-Promis, wobei hier dank unseres Alphabets noch viel Spielraum nach unten ist. 
Wie wird man nun zum C-Promi? Und wie berühmt oder bekannt muss man sein, um zum B-Promi zu werden oder gar in den Olymp eines A-Promi Status‘ aufzusteigen? Ich bin ratlos und habe keine Ahnung, welche Kriterien zugrunde gelegt werden.
Nehmen wir das Beispiel der Schauspielerei. Erstaunlich ist, dass die meisten A-Promis unter den Schauspielern gar nicht so viel Aufhebens um ihren Promistatus machen. Sie glänzen durch schauspielerisches Können und Seriosität. Ihr Ego scheint nebensächlich zu sein (Ausnahmen bestätigen die Regel). Ganz anders bei den Promis, die sich unterhalb der A-Klasse bewegen. Mit sinkendem Promi-Status scheinen Ego und Überheblichkeit zu steigen. Mit anderen Worten: je niedriger der Status, umso wichtiger nimmt sich der Promi. Und je niedriger der Status, umso wichtiger scheint für einen Promi die öffentliche Meinung über ihn zu sein.

Die öffentliche Meinung spielt auch in dem Roman „Hell strahlt die Dunkelheit“ des A-Promis und Schriftstellers Ethan Hawke eine wichtige Rolle. 
Quelle: Kiepenheuer und Witsch

Der Amerikaner Ethan Hawke ist ausgebildeter Schauspieler (Theater und Film), Roman- und Drehbuchautor sowie Regisseur. William Harding, der Protagonist seines Romans "Hell strahlt die Dunkelheit" ist ebenfalls Hollywood-Schauspieler, aber nicht ganz so talentiert wie sein prominenter Schöpfer. William ergattert eine Theaterrolle in einer Shakespeare-Inszenierung (Heinrich IV.) am Broadway, was für den Filmschauspieler eine echte Herausforderung ist. William ist definitiv kein A-Promi, ist aber mit einem verheiratet. Seine Frau Mary ist ein gehypter Rockstar. Das Promi-Paar hat zusammen zwei Kinder (3 und 5 Jahre). Der Roman "Hell strahlt die Dunkelheit" beginnt mit der Ankunft von William in New York, unmittelbar bevor die Proben zu dem Theaterstück losgehen. Beruflich läuft es also bei William, privat aber nicht. Denn seine Ehe steht vor dem Aus. Nachdem durch die Presse bekannt wurde, dass William seine Frau betrügt, hat diese ihn vor die Tür gesetzt. Die Öffentlichkeit macht William nun für seinen Fehltritt fertig, gilt doch Noch-Ehefrau Mary als America’s Darling.

Trotz negativer Publicity und Anfeindungen durch die Öffentlichkeit, versucht William, sich auf seine Rolle zu konzentrieren. Der Filmschauspieler, der bisher noch keine Erfahrung mit dem Theater gemacht hat, gräbt sich in die Rolle des Hotspur. Diese Figur gehört zu den Bösen in Shakespeares Stück, womit wir bei den Parallelen zu Williams Leben und die Wahrnehmung seiner Person in der Öffentlichkeit wären. Die Rolle ist für ihn wie geschaffen. 
Durch Williams bisheriges Leben in Glanz und Glamour ist er ein Promi geworden, der auf die öffentliche Meinung fixiert ist. Bisher war er immer bemüht, dem Klischee eines Hollywoodschauspielers in Kombination mit der Rolle des Ehemanns eines Rockstars gerecht zu werden. Sex, Drugs and Rockn'Roll waren dabei probate Mittel. 
Doch je mehr er sich jetzt der ernsthaften Schauspielerei innerhalb des Shakespeare Stückes hingibt, umso mehr entfernt er sich von dem Bild des lasterhaften Promis. Am Ende wird der echte William Harding zum Vorschein kommen. Ein ernsthafter und verantwortungsvoller Mensch, der es endlich schafft, die öffentliche Meinung nur als das zu sehen, was sie ist: eine Meinung von vielen. Sein Theaterengagement wird zur Katharsis für seine Persönlichkeit und sein Seelenleben. 

Der Roman umfasst den kompletten mehrwöchigen Zeitraum von Williams Broadway Engagement, angefangen bei den ersten Proben bis hin zur letzten Aufführung des Shakespeare Stücks. William pendelt zwischen seinem New Yorker Domizil - einem Hotelzimmer - und dem Theater hin und her. Dadurch verbringt der Leser mit ihm viel Zeit am Theater und taucht in den Alltag eines Theaterensembles ein. Das macht viel Spaß, da dabei das Hauptaugenmerk auf den einzelnen Mitgliedern und ihren teilweise exzentrischen Eigenwilligkeiten liegt.

Das Shakespeare Stück liefert dabei einen interessanten Rahmen. Indem wir den Schauspieler auf Schritt und Tritt begleiten, kommen wir auch mit Auszügen des Stückes in Berührung. Es finden sich viele Zitate aus Heinrich IV. Wir verfolgen einzelne Szenen, die Handlung sowie die Charaktere werden im Ansatz erklärt, genauso wie der Aufbau des Stückes auf diesen Roman übertragen wird. Spätestens zum Ende der Lektüre verspürt man Lust, sich Heinrich IV. im Theater anzusehen. 

Bei aller Begeisterung habe ich einen Kritikpunkt an diesem Roman: Gewöhnungsbedürftig ist für mich die Fixierung des Schauspielers William auf seinen Sexualtrieb, was Autor Ethan Hawke mit sehr plakativen und deftigen Formulierungen zum Ausdruck bringt. Für mich wäre da weniger mehr gewesen. 

Dennoch ist "Hell strahlt die Dunkelheit" ein facettenreicher und origineller Roman, den ich sehr genossen habe. 

© Renie