Freitag, 23. Juni 2017

Friedrich Torberg: ... und glauben, es wäre die Liebe

Quelle: pixabay / Ben_Kerckx
Friedrich Torbergs Tagebuchroman "... und glauben, es wäre die Liebe" ist das Porträt einer Generation in den 30er Jahren in Deutschland. Seine Protagonisten sind allesamt junge Erwachsene, Anfang bis Mitte 20. Sie entstammen dem gehobenen Bürgertum, befinden sich am Anfang ihres Berufslebens oder im Studium. Die Clique, von der Torberg erzählt besteht aus 5 Männern und 3 Frauen. Sind sie befreundet? Teilweise sind sie es, teilweise auch nicht. Eher sind die 8 Personen Gesinnungsgenossen im Kampf gegen die Langeweile. Daher treffen sie sich zum "Mokkakränzchen" - wie sie ihre Zusammenkünfte liebevoll nennen - in Cafés und Bars, auch gerne im Strandbad. Sie geben sich dem Anschein eines intellektuellen Daseins hin. Ihre Treffen sind jedoch von Oberflächlichkeit geprägt. Das bestimmende Thema in dieser Gemeinschaft ist die Liebe. Denn da, wo Männlein und Weiblein in diesem Alter aufeinandertreffen, fangen die Hormone an zu rotieren. Jeder der 8 Protagonisten führt Tagebuch und gewährt somit einen tiefen Einblick in sein Seelenleben. In wechselnder Folge erfährt der Leser auf diese sehr persönliche Weise, wie unterschiedlich jeder der 8 die Liebe empfindet.
Hans liebt Hilde, Peter liebt Hilde und dann Ruth, Viktor und Walter lieben Tanja, Hilde liebt Peter .... so lassen sich die Liebeleien beliebig fortsetzen, zumindest einen Sommer lang. Denn in diesem Sommer sind die Gefühle der Protagonisten einem ständigen Wandel unterworfen.
"Und deshalb meine ich, daß - wenn nur die geringsten inneren Voraussetzungen vorhanden sind - gerade in unserer Zeit nichts leichter entstehen kann als eine unglückliche Liebe, und daß die Beziehung der Geschlechter (oder sollte man Beziehungslosigkeit sagen?) ein Katastrophenboden ist wie eh und je, bloß nach anderen Systemen gedüngt. Besonderer Glücksfall, wenn Einer, der lieben möchte, auf Eine stößt, die wenigstens nichts dagegen hat, und umgekehrt." (S. 33)
Ich gebe zu, dass dieses ständige Liebesgeplänkel, welches mich anfangs amüsiert hat, zum Ende seinen Reiz verloren hat. Ich habe mich für dieses Buch entschieden, weil ich mir einen Einblick in die Denkweise einer Generation in einer Zeit erwünscht habe, in der sich Deutschland im Umbruch befand.

Mich interessiert, welchen Einfluss die damalige Zeit auf die Denkweise der jungen Leute hatte. In den 30er Jahren war politisch viel los in Deutschland. Die NSDAP, mit ihrer verstörenden Rassenpolitik, hatte damals ihre Anfänge. Unser Land litt unter einer sehr hohen Arbeitslosigkeit, die damals andauernde Weltwirtschaftskrise hatte ihre Spuren in Deutschland hinterlassen. Doch davon ist den 8 Protagonisten in diesem Roman nichts anzumerken, was meines Erachtens auf deren Herkunft zurückzuführen ist, die ihnen ein einigermaßen sorgenfreies Leben ermöglichte. Fast scheint es, als ob die damaligen unruhigen Zeiten spurlos an den Charakteren vorbeizogen und sie tatsächlich mit nichts anderem beschäftigt waren als mit der Liebe.

Die Werke des Schriftstellers und Journalisten Friedrich Torberg sind nach 1933 von den Nationalsozialisten verboten worden. Zudem wurde er aufgrund seiner jüdischen Abstammung zur Persona non grata erklärt. Insofern wundert es mich noch mehr, dass er in seinem Roman keinerlei Bezug zur politischen Situation in Deutschland hergestellt hat. Das hätte ich von einem Journalisten, bei dem man aufgrund seines Berufes ein gewisses Interesse am öffentlichen Leben voraussetzt, doch erwartet.
"Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll und wohin mit mir und warum ich es überhaupt dazu kommen ließ, ich will doch schon die längste Zeit nicht mehr, aber ich werde eben immer wieder schwach, und eine Niederlage, die nicht notwendig gewesen wäre, ist doppelt arg." (S. 123)
Der Sprachstil in diesem Roman macht es dem Leser nicht einfach. Torberg schien ein Freund verschachtelter Sätze zu sein. Denn die findet man zuhauf in diesem Roman. Für dieses Buch sollte man sich daher Zeit und Ruhe nehmen, sonst verliert man sich in den Schachtelsätzen des Autors. 

Fazit
Es ist mir ein Rätsel, wie ein journalistisch geprägter Schriftsteller wie Torberg ein derart unpolitisches Buch schreiben konnte. Der Zeitgeist der 30er Jahre kommt meines Erachtens in diesem Roman nicht durch. Das ist schade. Friedrich Torberg hatte Anfang der 30er Jahre mit seinem Erstlingswerk "Schüler Gerber", in dem er das damalige Schulsystem anprangert, großen Erfolg. Mit " ... und glauben, es wäre die Liebe" wollte er wohl an seinen Erfolg anknüpfen. Ich vermute, dass ihm dies nicht gelungen ist.

© Renie



Über den Autor:
Friedrich Torberg (1908–1979) Erzähler, Essayist, Kritiker und Übersetzer. Bis 1938 als Publizist und Theaterkritiker in Prag und Wien tätig, dann Flucht über die Schweiz nach Frankreich und 1940 in die USA, wo er als Drehbuchautor in Hollywood und New York lebte. 1951 Rückkehr nach Wien; 1954 Mitbegründer und bis 1965 Herausgeber der Monatsschrift Forum, Herausgeber der Werke von F. von Herzmanovsky-Orlando. Torbergs Bekanntheit gründet sich vor allem auf den Roman Der Schüler Gerber hat absolviert und die beiden Erzählbände um die Tante Jolesch. Bei Milena erschienen bisher: Auch das war Wien und Hier bin ich, mein Vater. Dieser, Torbergs zweiter Roman, wurde mit dem Julius-Reich-Preis ausgezeichnet. (Quelle: Milena)