Montag, 31. August 2015

Nadine Gordimer: Der Besitzer

Man Booker Prize Gewinnerin 1974

Mehring ist ein erfolgreicher Manager in Südafrika zur Zeit der Apartheid. Aus Prestigegründen erwirbt er eine Farm vor den  Toren von Johannesburg. Er fühlt sich wohl als Großgrundbesitzer. Er hat den Anspruch, auch in der Landwirtschaft ähnlich erfolgreich zu sein wie bei seiner Tätigkeit als Manager. Da er keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht hat, ist er auf die Unterstützung seiner farbigen Arbeiter ("Boys") angewiesen. Eines Tages wird auf dem Farmgelände eine Leiche gefunden. Wer war dieser Farbige und unter welchen Umständen ist er zu Tode gekommen?  Beides Fragen, die den Leser bis zum Ende des Romanes beschäftigen werden, womit er jedoch der Einzige ist, der nach den Hintergründen fragen wird. Denn von den Protagonisten interessiert sich keiner für den Toten und dessen Schicksal.
"Viele gutverdienende Geschäftsleute aus der Stadt kaufen sich auf einer gewissen Stufe ihrer Karriere eine Farm - die Verluste sind steuerabzugsfähig, und das fällt mit einem anderen, weniger handgreiflichen Privilieg zusammen: diese Männer können es sich leisten, sich die Sehnsucht nach dem Landleben zu erfüllen, die gutverdienenden Leuten, die ihr Geld in der Wirtschaft machen, angeboren zu sein scheint." (S. 23)



Anfangs hat mich das Buch doch sehr irritiert. Die Farbigen in dem Buch werden als minderwertig dargestellt und wirken völlig überzeichnet. Das Bild, das sich mir aufgedrängt hat, war fast schon klischeehaft. Dadurch habe ich mich gefragt, wie ein Roman mit einem derart rassistischen Menschenbild eine literarische Auszeichnung erhalten konnte. Doch je tiefer man in die Handlung eintaucht, umso mehr versteht man die Ironie, mit der Nadine Gordimer, die übrigens 1991 den Literaturnobelpreis erhalten hat, ihre Charaktere darstellt.

Für den Hauptcharakter Mehring kann man nur Antipathien entwickeln. Er ist arrogant und fühlt sich jedem überlegen - egal welcher Hautfarbe. Sein Frauenbild ist dermaßen chauvinistisch geprägt, dass es fast schon wieder amüsant ist. Er fühlt sich wohl als Großgrundbesitzer. Seine Farm ist sein Königreich, seine Gefolgschaft sind seine "boys". Wenn es nach ihm ginge, würde seine rassistische Welt bleiben wie sie ist. Im Verlauf der Geschichte gibt es immer wieder Rückblicke auf Episoden seiner Vergangenheit. Die tragen jedoch nicht dazu bei, dass man das Auftreten von Mehring versteht. Der Mann ist ein Rassist, der sich nicht bekehren lässt. Beim Zusammenspiel zwischen Mehring und seinen boys treffen Mehring's Überheblichkeit und eine übertriebene Unterwürfigkeit der Farbigen aufeinander - wieder ein Indiz für Nadine Gordimer's Ironie. Denn als Leser wird man den Eindruck nicht los, dass tatsächlich die Farbigen die wahren Herrscher auf der Farm sind. 

Der Sprachstil in dem Buch hat mir sehr gut gefallen, weil dem Leser sehr intensive Stimmungen vermittelt werden. So stelle ich mir das Südafrika der Apartheid vor: heiß, dreckig, brutal - also ein Bild, das nichts mit dem sauberen, entspannten Südafrika gemein hat, welches man z. B. von der letzten Fußball-WM in Erinnerung hat. 
"Wenn der Augustwind kommt, wirbeln Tausende von Papierschnitzeln durch die Luft und bleiben am Zaun der Siedlung hängen. Die zusammengewürfelten Kleidungsstücke der Kinder und alten Leute, die den Abfallhaufen durchwühlen, werden an ihre Körper gepresst oder von ihnen weggeblasen. Manchmal ist der Wind so stark, dass er Bretter und sich überschlagende Kisten vor sich hertreibt, die über die Straße schlittern und gegen den Zaun geschleudert oder von Autorädern plattgedrückt werden wie überfahrene Hunde und Katzen..... Die Müllwühler sind geduldig - ob faul oder schwach, ist im Vorbeifahren schwer zu beurteilen - und ihre nackten Beine und Füße und die Hände, mit denen sie den Abfall durchsuchen, sind mit Asche grau überzogen." (S. 99)
Einzig die abrupten Wechsel der Erzählperspektiven habe ich als störend empfunden. Es gibt selten eine klare Abgrenzung zu der jeweils vorherigen Perspektive, so dass ich mich oft gefragt habe, aus wessen Sicht die Geschichte gerade erzählt wird. 

Mein Fazit: Insgesamt ein gewöhnungsbedürftiges Buch, bei dem ich mehrfach überlegt habe, es abzubrechen. Mehring, seine Arroganz und sein Rassismus, bewirken, dass man sich beim Lesen ärgert. Allein, die Frage nach dem anfangs erwähnten toten Farbigen auf Mehring's Grund, hat mich bewogen, das Buch doch bis zum Ende zu lesen - wobei mich das Ende des Buches mit vielen Fragezeichen zurück gelassen hat.


© Renie


Der Besitzer
Autorin: Nadine Gordimer
Die deutschsprachige Erstausgabe erschien 1977 im Claassen Verlag GmbH, Düsseldorf.
Ich habe das Buch in der Ausgabe (1989) vom S. Fischer Verlag GmbH gelesen.
ISBN 3-10-027012-6