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Das kann doch nicht wahr sein: Die Geschichte, die Christoph Poschenrieder in seinem Buch "Der unsichtbare Roman" erzählt, klingt so verrückt, dass sie ein Hirngespinst sein muss. Ist sie aber nicht. Denn der Autor macht in seinem aktuellen Roman das, was er immer macht und bis zur Perfektion beherrscht: er greift ein historisches Ereignis auf, nimmt es zum Thema für ein Buch und macht daraus einen Roman, der anspruchsvolle Unterhaltung und Tatsachen miteinander vereint. Dabei hält er sich streng an die historischen Vorgaben, die sich aus seiner Recherchearbeit für sein Buch ergeben haben.
Bei Poschenrieder muss es kein Großereignis sein. Auch die kleinen Dinge, die am Rand des Weltgeschehens stattfinden, können unglaublich spektakulär sein, wie "Der unsichtbare Roman" beweist.
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"'Warum nicht die Freimaurer? Keiner traut ihnen, aber jeder traut ihnen alles zu. Es gibt sie überall. Sie tun geheimnisvoll. Jeder hat von ihnen gehört, keiner weiß etwas Genaues. Außer was die Leute sagen. Und die erzählen viel. Wenn man das ganze Brimborium wegpustet, bleibt nicht viel mehr als ein Karnevalsverein übrig."'
Auch wenn Meyrink sofort begreift, dass diese Anschuldigung jeglicher Grundlage entbehrt und seine literarische Kunst für Propagandazwecke der Regierung missbraucht werden soll, nimmt er das Angebot an. Schließlich muss er seinen teuren Lebenswandel und den seiner Familie finanzieren. Da muss man als ernsthafter Schriftsteller auch mal über seinen Schatten springen.
Doch dem ernsthaften Schriftsteller stehen dann doch sein Gewissen und seine Schriftsteller-Ehre im Weg. Meyrink fällt es schwer, eine passende Geschichte aus dem Ärmel zu schütteln. Und so quält er sich durch die Wochen und hält seine Auftraggeber hin. Doch am Ende wollen diese Ergebnisse sehen.
Christoph Poschenrieder lässt die Geschichte um den "unsichtbaren Roman" in den Jahren 1917 und 1918 stattfinden. Der 1. Weltkrieg ist in vollem Gange. Dennoch bekommt das Deutschland in Poschenrieders Roman, nicht viel davon mit. Poschenrieders Charaktere führen ein Leben, das vom Krieg scheinbar nicht beeinträchtigt wird. Der Alltag findet wie gewohnt statt. Wären da nicht diese kleinen Momente in diesem Buch, die wachrütteln und für Unbehagen sorgen. Das kann z. B. ein Soldat in einem Zugabteil sein, der seinen Heimaturlaub beendet hat und nun wieder an die Front muss, oder ein Krankentransport, der von der Front kommt und auf der Durchreise ist. Ohne diese kleinen Kriegsmomente wäre die Geschichte um Gustav Meyrink einfach nur eine amüsante Posse, die Poschenrieder scheinbar mit einem schelmischen Augenzwinkern erzählt: ein Autor, der dafür bezahlt wird, dass er falsche Gerüchte verbreitet und am Ende diese Aufgabe sehr eigenwillig interpretiert.
Indem Poschenrieder den Krieg durch diese speziellen Momente nicht vergessen lässt, schafft er einen ernsten Hintergrund für seine Possengeschichte und nimmt ihr somit die Harmlosigkeit.
"' ... Worte sind heute Schlachten Richtige Worte gewonnene Schlachten, falsche Worte verlorene Schlachten. Wir führen, neben dem stählernen dort draußen, einen Krieg der Worte.'"
"' ... Weniger das, was gesagt wird, ist wichtig, sondern, wer es sagt.'"
Deutschland scheint ein Land der Verschwörungstheoretiker zu sein. Das war damals so, das ist auch heute so. Die Theorie, dass die Freimaurer für den Ausbruch des 1. Weltkrieges verantwortlich waren, war grober Unfug und ein Versuch, ein ganzes Volk auf den Arm zu nehmen. Das ist historisch belegt. Was uns Deutschen in Corona-Zeiten ein Unheil verkündender Koch namens Attila und ein Schlagerfuzzi namens Michael sind, wäre damals fast der renommierte Schriftsteller Gustav Meyrink geworden. Damals wurde bei der Verbreitung von Verschwörungstheorien wenigstens noch Wert auf Niveau gelegt. Wie erfreulich, dass Meyrink am Ende sein Verstand und sein Gewissen im Weg standen. Die Idee einer Verschwörung blieb somit nur eine Idee. Fragt sich nur, wer unseren heutigen weltrettenden Corona-Aufklärern, den Floh ins Ohr gesetzt hat, dass u. a. Bill Gates und das Mobilfunknetz die Schuld an unserer Pandemie Misere haben. Aber ich befürchte, dass sie sich das allein ausgedacht haben oder - was wahrscheinlicher ist - diese Hirngespinste irgendwo aufgeschnappt haben und nun in die Welt hinausplärren. Es wird ihnen hoffentlich für die Verbreitung dieses Schwachsinns keiner Geld gegeben haben. Doch das ist eine andere Verschwörungstheorie ;-)
Mein Fazit:
Ein grandioser Roman von Christoph Poschenrieder, der seine Aktualität wahrscheinlich nie verlieren wird. Denn Verschwörungstheoretiker wird es immer geben.
Leseempfehlung!
© Renie