Mittwoch, 30. März 2016

Jonathan Franzen: Unschuld

Jonathan Franzen - "ein literarisches Genie", "einer der größten, sprachmächtigsten Autoren unserer Zeit", "ein stilistischer Meister", "brillanter Anwalt des modernen realistischen Erzählens" ...... die Liste der Lobpreisungen ließe sich wahrscheinlich endlos fortführen. Wenn ein Autor mit derartigem Lob überschüttet wird, ist die Erwartungshaltung des Lesers natürlich unglaublich hoch. Es ist schon einige Jährchen her, dass ich Franzen's Korrekturen gelesen habe - ein Roman, dessen Lektüre ich sehr genossen habe, und der mir durchweg positiv in Erinnerung geblieben ist. Insofern konnte sein aktueller Roman "Unschuld" nur gut sein - dachte ich zumindest ..... 




So beschreibt der Verlag diesen Roman:

Die junge Pip Tyler weiß nicht, wer ihr Vater ist. Das ist keineswegs ihr einziges Problem: Sie hat Studienschulden, ihr Bürojob in Oakland ist eine Sackgasse, sie liebt einen verheirateten Mann, und ihre Mutter erdrückt sie mit Liebe und Geheimniskrämerei. Pip weiß weder, wo und wann sie geboren wurde, noch kennt sie den wirklichen Namen und Geburtstag ihrer Mutter. Als ihr eines Tages eine Deutsche beim „Sunlight Project“ des Whistleblowers Andreas Wolf ein Praktikum anbietet, hofft sie, dass der ihr mit seinem Internet-Journalismus bei der Vatersuche helfen kann. Sie stellt ihre Mutter vor die Wahl: Entweder sie lüftet das Geheimnis ihrer Herkunft, oder Pip macht sich auf nach Bolivien, wo Andreas Wolf im Schutz einer paradiesischen Bergwelt sein Enthüllungswerk vollbringt. Und wenig später bricht sie auf. 


«Unschuld», eine tiefschwarze Komödie über jugendlichen Idealismus, maßlose Treue und den Kampf zwischen den Geschlechtern, handelt von Schuld in den unterschiedlichsten Facetten: Andreas Wolf, in Ost-Berlin als Sohn eines hochrangigen DDR-Politfunktionärs geboren, hat aus Liebe zu einer Frau vor Jahren ein Verbrechen begangen; ein Amerikaner, dem er in den Wirren des Berliner Mauerfalls begegnet, hat den Kinderwunsch seiner Frau nicht erfüllt und sie dann verlassen; dessen neue Lebensgefährtin kann ihrem Ehemann, der im Rollstuhl sitzt, nicht den Rücken kehren und pflegt ihn weiter ... In diesem fulminanten amerikanisch-deutschen Gesellschaftsroman eines der größten, sprachmächtigsten Autoren unserer Zeit überschlagen sich die Ereignisse. Und bannen den Leser bis zum Schluss. (Quelle: Rowohlt)


Wenn ich eine Buchbesprechung vorbereite, mache ich mir eine Liste über positive und negative Dinge des Buches, das ich gelesen habe. Bei Franzen's "Unschuld" musste ich feststellen, dass ich nur einen einzigen Punkt auf der "Haben-Seite" aufgeführt hatte: seinen Sprachstil!

Es stimmt, Franzen ist ein großartiger Schreiberling. Er geniesst es, mit der Sprache zu spielen - das merkt man zumindest seiner schwelgerischen Erzählweise an. Seine Sätze sind von Doppeldeutigkeiten gespickt, was sehr unterhaltsam sein kann, aber auch anstrengend, da man sehr aufmerksam lesen muss. Wird man als Leser unachtsam, hat man den Gedankenfaden, den Franzen gerade gesponnen hat verloren und muss Textpassagen mehrfach lesen.

"Wenn seine Gewissensbisse trotzdem einen deutlichen Bodensatz der Krankhaftigkeit offenbarten - denn was bedeutete dieser Drang, mit Mädchen auf Mädchen das ewig gleiche Muster zu wiederholen, warum bekam er es nicht nur nie satt, sondern schien es sogar immer stärker zu wollen, ja warum war er mit dem Mund lieber zwischen Beinen als in der Nähe eines Gesichts -, schrieb er es der Krankhaftigkeit des Landes zu, in dem er lebte." (S. 119)

Womit wir uns geradewegs zur Soll-Seite bewegen: Wenn ich alle Dinge, die mir an diesem Roman Probleme bereitet habe, zusammenfassen sollte, fiele mir nur ein Ausdruck ein: Des Guten zuviel!


Um beim Sprachstil zu bleiben: Franzen hat wie bereits erwähnt, Spaß daran, mit der Sprache zu spielen. Aber er verliert sich auch oft in seinen Satzkonstruktionen. Sein Erzählstil wird stellenweise sehr ausschweifend, was den Lesefluss zäh werden lässt und irgendwann bei einem 800-Seiten-Roman sehr ermüdend sein kann.
"Aber schon in den Tagen der Datenaustauschprotokolle und alternativen Nachrichtenforen gab es eine Ahnung von der unermesslichen Dimension, die das gereifte Internet und die daraus hervorgegangenen sozialen Netzwerke einmal kennzeichnen würde; in den hochgeladenen Bildern von jemandes nackt auf dem Klo sitzender Ehefrau, der charakteristischen Auslöschung des Unterschieds zwischen öffentlich und privat; in der aberwitzigen Menge nackt auf dem Klo sitzender Ehefrauen in Mannheim, Lübeck, Rotterdam, Tampa, einem Vorgeschmack auf die Auflösung des Individuums in der Masse. Das Gehirn maschinell auf Rückkoppelungsschleifen reduziert, die private Persönlichkeit auf eine öffentliche Verallgemeinerung: Da hätte man genauso gut schon tot sein können." (S. 688)
Sein Roman ist mit Themen überfrachtet, die jedes für sich für ein Buch reichen würden. Franzen konfrontiert den Leser jedoch mit einem Themengemisch, das ihn abstumpfen lässt. Er kommt nicht zum Leser durch. Man registriert nur, setzt sich jedoch gedanklich nicht mit den Themen auseinander. Hier ist ein kleiner Überblick aus Franzen's Themenpotpourri: DDR, Faschismus, Internet, Hacker-Szene, Mord, Feminismus, Hausbesetzer-Szene, Geschlechterkampf...



Fazit:
Ich habe irgendwo gelesen, dass sich bei Franzen die Geister scheiden. Entweder liebt man ihn, oder man hasst ihn. Soweit würde ich nicht gehen. Er ist unbestreitbar ein großer Schriftsteller unserer Zeit. Aber mit "Unschuld" hat er sich vergalloppiert. Auf mich wirkt es, als ob er mit diesem Roman einfach zuviel wollte - sowohl sprachlich als auch thematisch. Auch, wenn dieser Roman eine Enttäuschung für mich war, bin ich auf weitere Werke von Franzen gespannt. Denn ich weiß, dass Franzen es besser kann!

© Renie

Unschuld von Jonathan Franzen, erschienen im Rowohlt Verlag (September 2015)
ISBN: 978-3-498-02137-5


Über den Autor:

Jonathan Franzen, 1959 geboren, erhielt für seinen Weltbestseller «Die Korrekturen» 2001 den National Book Award. Er veröffentlichte außerdem die Romane «Die 27ste Stadt», «Schweres Beben» und «Freiheit», das autobiographische Buch „Die Unruhezone“, die Essaysammlungen «Anleitung zum Alleinsein» und «Weiter weg» sowie „Das Kraus-Projekt“. Er ist Mitglied der amerikanischen Academy of Arts and Letters, der Berliner Akademie der Künste und des französischen Ordre des Arts et des Lettres. 2013 wurde ihm für sein Gesamtwerk der WELT-Literaturpreis verliehen.
Er lebt in New York und Santa Cruz, Kalifornien. (Quelle: Rowohlt Verlag)

Schünemann & Volić: Pfingstrosenrot

"Ein kleines Stück Land, kleiner als das deutsche Bundesland Schleswig-Holstein, war mit so viel Geschichte und Mythen beladen, und eine davon besagte, dass nur hier die Pfingstrose in solch prächtigen Rottönen blühen würde, weil der Boden mit so viel Blut getränkt ist." (S. 70)
Der Kosovo-Krieg fand von Februar 1998 bis Juni 1999. Ja, so lange ist das schon her. Doch der Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen Kosovo-Albanern und Serben besteht nach wie vor. Zu groß sind Hass und Vorurteile, die sich in den Köpfen der Balkanbewohner eingenistet haben. Menschen sind vertrieben worden, Menschen haben das Bedürfnis, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Der Kriminalroman "Pfingstrosenrot" des Autorenduos Christian Schünemann und Jelena Volić ist in der Zeit nach dem Krieg angesiedelt und reicht bis in unsere Gegenwart. Dabei liefern sie ein eindrucksvolles Bild über die Gewinner und Verlierer des damaligen Krieges.

Quelle: Diogenes
Worum geht es in diesem Kriminalroman?
Was geschah in jener Nacht, als ein serbisches Ehepaar, Miloš und Ljubinka Valetic, in seinem Haus im Kosovo brutal ermordet wurde? Milena Lukin wäre dieser Frage vielleicht nie nachgegangen, wenn nicht ihr Onkel Miodrag in der Ermordeten seine Jugendliebe wiedererkannt hätte. Sie nimmt Kontakt zu den hinterbliebenen Kindern auf, wagt sich an den Ort des Verbrechens und in die Niederungen der Politik. Und allmählich erhärtet sich der Verdacht, dass die Täter nicht in der Ferne, sondern ganz in ihrer Nähe zu finden sind – im schönen Belgrad. In ›Pfingstrosenrot‹ wird erzählt, wie ein politischer Konflikt hinter den Kulissen geschürt und aufrechterhalten wird, weil beide Seiten kräftig davon profitieren. (Quelle: Diogenes)

Der Kriminalfall, der hier geschildert wird, basiert auf einem wahren Verbrechen, welches seinerzeit sowohl von serbischen als auch albanischen Regierungs- und Medienvertretern instrumentalisiert worden ist, um die eh schon explosive Stimmung zwischen den Bevölkerungsgruppen weiter aufzuheizen.

Im Mittelpunkt steht Milena Lukin, eine Kriminologin, die mit ihrer Mutter und ihrem Sohn in Belgrad lebt und unterrichtet. Sie ist eine warmherzige Frau und ein Familienmensch. Deshalb zögert sie auch nicht, der Bitte ihres kranken Onkels nachzukommen, ein paar Nachforschungen in dem Doppelmord Valetic anzustellen. Bei der ermordeten Ljubinka Valetic handelt es sich um Onkel's Jugendliebe.
Da Milena als Kriminologin u. a. mit der Europäischen Kommission zusammen arbeitet, hat sie Zugang zu den unterschiedlichsten Kreisen in Belgrad. Dadurch stehen ihr viele Möglichkeiten offen, die sie bei der Aufklärung dieses Verbrechens unterstützen.
"Wenn sie sich vorstellte, wie da oben jetzt die Diplomaten und Politiker beisammensaßen und mit abstrakten Zielvorgaben über das Schicksal von Tausenden von Flüchtlingen entschieden. Diese Herren waren von allem Möglichen getrieben, nur nicht von der Sorge um die Menschen." (S. 74)
In Serbien ist die Kluft zwischen Armen und Reichen sehr groß. Insbesondere die Folgen des Krieges tragen dazu bei. Von den EU-Geldern, die dem Wiederaufbau dienen, profitieren nur einige wenige, in der Regel Beamte und Regierungsmitglieder. Wer sich vor dem Krieg nicht gescheut hat, die Hand aufzuhalten und sich korrumpieren ließ, hat auch jetzt keine Probleme damit. Die EU ist großzügig, nur leider kommt das Geld nicht bei denen an, die es dringend benötigen: den Bewohnern des Kosovo und den Rückkehrern, die während des Krieges nach Serbien geflohen sind und jetzt wieder in die Heimat zurück wollen.
Korruption und Vetternwirtschaft sind in Serbien und im Kosovo an der Tagesordnung. Und gerade diejenigen, denen es vor dem Krieg schon gut ging, profitieren am meisten von den Folgen des Krieges. 
"'... Ob Minister oder Bürgermeister - jeder fühlt sich zuerst seinem eigenen Clan verantwortlich, und dann kommt lange Zeit nichts. Und die Internationalen sind längst Vettern in dieser Vetternwirtschaft geworden. Irgendwann erliegt der eine oder andere Bürokrat dann doch der Versuchung, sich hier und da an einer kleinen Privatisierung und am Ausverkauf des Kosovo zu beteiligen. Oder man lässt sich fürs Weggucken bezahlen - auch ein schönes Zubrot zu einem Gehalt,...'" (S. 328)
Die Reichen genießen ihr Leben. Sie haben einen Höllenspaß daran, ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Die Dekadenz kennt dabei keine Grenzen. Ist diese Dekadenz übertrieben dargestellt? Auf jeden Fall geben Schünemann und Volić die "High Society" Belgrad's der Lächerlichkeit preis. Denn egal, mit welchen Statussymbolen die Reichen aufwarten, alles wirkt übertrieben, protzig und geschmacklos.
"Der Politiker hatte sich in der laufenden Legislaturperiode interessanterweise vor allem dadurch hervorgetan, dass er öffentlich mit nacktem Oberkörper und einer riesigen Kreuzotter um den Hals posierte. Milena seufzte. Frauen legten sich bei der ersten Gelegenheit bereitwillig unters Messer, ließen sich liften, spritzen und straffen, dass ihnen die Anstrengung teilweise ins Gesicht geschrieben stand, während Männer kompensierten und sich keinen Deut darum scherten, dass ihnen die Wampe über dem Gürtel hing und Haare in Fülle nur noch auf dem Rücken wuchsen." (S. 272)
Belgrad ist eine Stadt der Kontraste. Hier treffen marode Bauwerke auf High-Tech-Neubauten (finanziert von der EU). Ein großer Teil der Bevölkerung lebt in ärmlichen Verhältnissen, ein anderer Teil weiß nicht wohin mit seinem Reichtum. Die wenigen albanisch-stämmigen Bewohner Belgrads werden wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Der Hass, der damals zu dem Krieg geführt hat, ist in den Köpfen der Menschen tief verwurzelt. Und es ist fraglich, ob sich die Balkanvölker jemals von diesem Hass befreien können. 
"Einem Albaner in Serbien wurde die Krankenhausbehandlung nicht verweigert, aber er hatte sich bitte schön zu gedulden, Schmerzen auszuhalten und hinzunehmen, dass jeder andere Patient Vorrang hatte. Jeder Notfallpatient, Privatpatient, Patient serbischer Staatsangehörigkeit oder serbischer Herkunft wurde ihm vorgezogen. Und dieser Fakt war, wie Schwester Dunja es wohl ausdrücken würde, 'keine Diskriminierung, sondern völlig normal.'" (S. 209)
Dieser Kriminalroman kommt gänzlich ohne Brutalität aus. Es geht zwar um einen Doppelmord - es bleibt übrigens nicht bei dem einen - doch als Leser erlebt man nie die Tat sondern wird immer nur mit dem Ergebnis - also der Leiche - konfrontiert. Und selbst hier hat sich das Autoren-Duo in der Beschreibung zurück gehalten und den Leser mit blutigen Details verschont. Trotzdem ist der Roman sehr spannend geschrieben. Durch einen stetigen Wechsel in der Erzählperspektive kommt der Leser in den Genuss, die Geschichte von mehreren Seiten zu durchleuchten. Die Hintergründe des Doppelmordes offenbaren sich erst mit der Zeit, obwohl sich relativ schnell abzeichnet, wer zu den Bösen und wer zu den Guten gehört.

Fazit:
Ich mag Krimis, deren Autoren es schaffen Spannung aufzubauen, und dabei auf Gewaltexzesse und Blutorgien verzichten können. In "Pfingstrosenrot" bin ich dabei voll auf meine Kosten gekommen. Hinzu kommt der politische Hintergrund, der in diesem Roman eine große Rolle spielt und fast schon informativen Charakter hat. Denn wie anfangs erwähnt, der Kosovo-Krieg liegt lange zurück. Und wie der Balkan sich mit dem Wiederaufbau rumgeschlagen hat und noch schlägt, haben doch viele aus den Augen verloren.

Leseempfehlung für diesen intelligenten, politischen, unblutigen und spannenden Krimi!

© Renie


Pfingstrosenrot von Schünemann und Volić, erschienen im Diogenes Verlag
ISBN978-3-257-06957-0



Über die Autoren:
Christian Schünemann, geboren 1968 in Bremen, studierte Slawistik in Berlin und Sankt Petersburg, arbeitete in Moskau und Bosnien-Herzegowina und absolvierte die Evangelische Journalistenschule in Berlin, wo er auch lebt. Er hat im Diogenes Verlag bereits vier Kriminalromane um den Münchner Starfrisör und Amateurdetektiv Tomas Prinz veröffentlicht.

Jelena Volic, geboren in Belgrad, studierte Allgemeine Literaturwissenschaft und Germanistik in Belgrad, Münster und Berlin. Mitarbeiterin in diversen Foren, die sich mit Serbien im europäischen Einigungsprozess befassen. Jelena Volic lehrt in Belgrad Neuere deutsche Literatur und Kulturgeschichte und ist Expertin für deutsch-serbische Beziehungen. Sie lebt in Belgrad und Berlin.

Dienstag, 22. März 2016

Ma Jian: Die dunkle Straße

In China möchte frau nicht Frau sein - zumindest nicht in jener Gesellschaftsschicht, in die uns Ma Jian mit seinem großartigen Buch über die Ein-Kind-Politik in China führt. Eine Geschichte, die schockierend, bewegend, dramatisch und unvorstellbar zugleich ist.
Ma Jian gewährt mit diesem Roman einen ungeschönten Einblick in das Leben der chinesischen Bauern und Wanderarbeiter in der heutigen Zeit. Er porträtiert denjenigen Teil der chinesischen Gesellschaft, dem bisher ein Stück von dem Kuchen namens "Wirtschaftswunder" verwehrt geblieben ist und stattdessen aufgerieben wird zwischen Tradition und Fortschritt.
Quelle: Rowohlt

Worum geht es in diesem Buch?
"Weit entfernt von dem chinesischen Wirtschaftswunder und den hellen Lichtern von Peking und Shanghai liegt ein riesiges ländliches Hinterland, das die brachialen Folgen von Industrialisierung und Ökonomisierung zu tragen hat.
Dort leben die Bäuerin Meili und ihr Mann Kongzi, ein Nachkomme von Konfuzius in der sechsundsiebzigsten Generation. Die beiden wollen neben ihrem ersten Kind, einem Mädchen, einen Sohn, um das Erbe fortzusetzen. Da ihnen die Behörden, die für alle die Einkindehe vorschreiben, mit Zwangssterilisation drohen, fliehen sie. Auf dem Jangtse, einem letzten Hort staatlicher Unorganisiertheit und mithin gewisser Freiheiten, führen sie ein illegales Tagelöhner- und Flussnomadenleben. Jahrelang schlagen sie sich auf vergifteten Gewässern und in ruinierten Landschaften durch, bevor sie schließlich auf einem Müllplatz für die Ausschlachtung westlichen Elektronikschrotts landen..." (Klappentext)

Meili - was habe ich mit dieser Frau gelitten. Sie ist mit Kongzi verheiratet, einem direkten Nachfahren von Konfuzius (wenn auch in der 76. Generation), der sich auch noch etwas auf seinen berühmten Vorfahren einbildet. Da er in dem Dorf, in dem sie vor ihrer Flucht gelebt haben, als Lehrer tätig war, gibt er gern den Intellektuellen. Insbesondere seine Frau lässt er seine vermeintlich geistige Überlegenheit spüren. Anfangs war Meili stolz auf ihn und hat es als gegeben hingenommen, dass sie als Frau "dumm" ist. Aber während ihrer Flucht stellt sie fest, wie wenig belastbar ihr kluger Ehemann doch ist. Seine Versuche, die Familie irgendwie durchzubringen, sind oft zum Scheitern verurteilt. Meili entwickelt sich zu derjenigen, die die Familie am Leben erhält. Kongzi würde das wahrscheinlich anders sehen, denn in seinem Gesellschaftsbild ist die Frau dem Mann  geistig unterlegen. Auch, wenn Kongzi sich zu einer großen Enttäuschung entwickelt, Meili würde ihn nie verlassen. Das verbieten ihr die traditionellen Werte.
"Als sie ihn mit siebzehn heiratete, war sie der Auffassung, die Ehe sei für immer und die Regierung würde die Menschen beschützen und versorgen, so wie die Ehemänner ihre Ehefrauen beschützten und versorgten. Aber kaum war sie verheiratet, zerplatzten ihre naiven Vorstellungen. Sie entdeckte, dass Frauen nicht über ihren Körper bestimmen konnten: Ihre Gebärmutter und die Geschlechtsorgane sind Kampfgebiete, um deren Beherrschung Ehemänner und der Staat miteinander ringen, Gebiete, die Ehemänner für ihre eigene sexuelle Befriedigung und zur Zeugung männlicher Nachkommen benutzen und die der Staat untersucht, überwacht, beschattet und ausschabt, um seine Macht zu festigen und Angst zu verbreiten." (S. 244)
In Meili's Kulturkreis ist die chinesische Frau dem Mann untertan. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, dem Mann einen männlichen Nachkommen zu schenken, damit der Fortbestand des kostbaren Familiennamens gewährleistet ist. Dieser Aufgabe steht die chinesische Ein-Kind-Politik im Weg. Mithilfe von Methoden, die mich immer wieder an die Judenverfolgungen im Dritten Reich erinnert haben, sorgt die sogenannte Familienplanungsbehörde für die Einhaltung dieses Gesetzes. Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen (egal, wie weit die Schwangerschaft bereits fortgeschritten ist) sind dabei für die Schergen dieser Behörde ein probates Mittel. Misshandlungen und Korruption sind da noch das kleinere Übel bei den chinesischen Gesetzeshütern.
"'Zweihundertzehn Yuan für die Intrauterininjektion, zweihundertsechzig für die Narkose, hundertneunzig für Verschiedenes - das ist die Gebühr für die Entfernung der Kindsleiche -, außerdem Wäsche und Arbeitskosten. Insgesamt 775 Yuan. Normalerweise beträgt der Preis für einen Abbruch im achten Monat 1400 Yuan, Sie haben also einen Nachlass von fünfzig Prozent bekommen. Ich an Ihrer Stelle würde bezahlen und gehen...'" (S. 108)
Unvorstellbar, welchem Druck Meili ständig ausgesetzt ist
der Druck, nicht mehr schwanger werden zu dürfen, weil das Gesetz es verbietet
der Druck, wieder schwanger werden zu müssen, weil der männliche Nachkomme fehlt
der Druck, eine gute Ehefrau zu sein - ein Mann hat schließlich seine sexuellen Bedürfnisse
der Druck, für ihre Familie sorgen zu müssen, weil ihr Ehemann dazu nicht in der Lage ist
Manch eine würde an diesem ausweglosen Schicksal zerbrechen. Nicht so Meili. Sie fügt sich in ihr Schicksal, windet sich irgendwie durch's Leben und schafft es, sich ihre Träume von einem besseren Leben zu bewahren.
"Obwohl Meili aus einer Bauernfamilie kommt, sehnt sie sich danach, wie die reichen Frauen in den Fernsehserien zu leben, die klimatisierte Wohnungen und klimatisierte Autos haben und noch nie in ihrem Leben auf einem Feld waren. Wenn sie erst einmal eine von ihnen ist, wird auch sie geschneiderte Kostüme tragen, sich die Nägel rot lackieren und mit eleganten Sandalen an den Füßen ein klimatisiertes Flugzeug besteigen oder in einem Luxushotel über Teppichboden schreiten." (S. 125)
Das Ziel ihrer Reise ist "Himmelsstadt" - ein verlockender Zufluchtsort? Die Verzweiflung der Familie und das Bedürfnis nach Ruhe und Sicherheit ist so groß, dass sie einen Ort, der dioxinverseucht ist und als Schrottplatz für westlichen Elektronikschrott genutzt wird, als das Paradies ansehen.

In diesem Buch wird vieles als selbstverständlich dargestellt: die Minderwertigkeit der Frauen, die Willkür der Behörden, die Brutalität gegenüber Frauen; aber auch das Leben inmitten von vergifteten Landschaften und die stoische Akzeptanz der gesundheitlichen Folgen. Die Fassungslosigkeit kennt beim Lesen keine Grenzen. Ma Jian schreibt ungeschönt und ungefiltert. Oft sind die Dinge, über die er berichtet, kaum zu ertragen. 
"..., verkaufte ein Dorfbewohner seinen Sohn, der einen Klumpfuß hatte, an eine Verbrecherbande, ... Andere Eltern, die diesen Reichtum voller Neid betrachteten, versuchten auf ähnliche Weise zu Geld zu kommen. Jetzt verstümmeln sie ihre Kinder gleich nach der Geburt, sie brechen ihnen die Knochen oder verdrehen ihnen die Glieder, denn sie wissen, je schlimmer die Verstümmelung, desto mehr Geld lässt sich damit verdienen." (S. 202)
Dabei lässt Ma Jian immer wieder Zeilen aus alten chinesischen Gedichten und Liedern einfließen. Das Rezitieren ist ein netter Zeitvertreib für Kongzi, aber auch für Meili. Dadurch gelingt es ihnen manchmal dem Alltag zu entfliehen. Diese Zeilen sind natürlich sehr poetisch und blumig, stehen aber im krassen Gegensatz zu den Horrorszenarien, mit denen insbesondere Meili zu kämpfen hat. Dadurch wird das Hässliche in diesem Buch noch hässlicher und unerträglicher.

Fazit:
Dieses Buch war für mich ein Glücksgriff, auch, wenn ich die Geschichte von Meili und ihrer Familie manches Mal kaum aushalten konnte. Meine Auswahl der Zitate spiegelt nur ein sehr geringes Maß der, in diesem Buch vorkommenden Schreckensszenarien wider. Ich bin jedoch froh, dass ich diesen Roman gelesen habe. Der Einblick, den Ma Jian in einen großen Teil der heutigen chinesischen Gesellschaft gewährt, ist beeindruckend. China ist weit weg. Und es liegt nicht unbedingt im Interesse dieses Landes  über derartige Themen zu berichten. Offiziell gibt es keine Probleme in dem geschilderten Ausmaß. Insofern ist dieses Buch ein außergewöhnliches Aufklärungsdokument, das ich nur jedem empfehlen kann, der Interesse an anderen Kulturkreisen hat. Nur Schwangere sollten ihre Finger von diesem Buch lassen, denn diese Geschichte geht an die Nerven ;-)



© Renie



Die dunkle Straße von Ma Jian, erschienen im Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3-498-03239-5
Erscheinungstermin: 31.07.2015



Über den Autor:
Ma Jian, geboren 1953 in Qingdao, lebte als Schriftsteller und Maler in Peking, später in Hongkong, seit 1999 im Londoner Exil. Einige seiner Werke waren unter dem Verdacht der "geistigen Verschmutzung" in China verboten. Zuletzt erschien sein Roman "Peking Koma", ein kritisches Porträt der chinesischen Gesellschaft von der Kulturrevolution bis heute. (Quelle: Rowohlt)



Samstag, 19. März 2016

Renie went Leipzig....

Quelle: Leipziger Buchmesse
... und schon bin ich wieder zuhause und versuche, meine Gedanken und Eindrücke zu sortieren. Gar nicht so einfach! 
Da ich das erste Mal überhaupt auf einer Buchmesse war, habe ich mich bei der Planung absichtlich zurückgehalten. Ich wollte möglichst viel Zeit zur Verfügung haben, um mich einfach treiben und das Bücherfest auf mich wirken zu lassen. Im Nachhinein war das eine gute Entscheidung ;-)
Hier sind die absoluten Highlights meiner Messe-Expedition:

Kerstin Rachfahl
Ihr Roman "Levarda - Licht und Schatten" war eines der ersten Bücher, die ich rezensiert habe. Das war vor ca. 1,5 Jahren. Veröffentlicht habe ich die Rezi zu dem Fantasyroman auf Whatchareadin. Man beachte - ein Fantasyroman! Also nicht unbedingt das von mir bevorzugte Genre. Trotzdem hatte der Roman etwas, das mich gefesselt hat und das mich auf eine Fortsetzung hoffen ließ. Und gestern komme ich per Zufall an Kerstin Rachfahls Messestand vorbei und da fiel's mir wieder ein. Schon war ich mit ihr im Gespräch. Kerstin Rachfahl ist eine sehr sympatische und offenherzige Autorin, die sich gern mit Lesern über ihre Bücher und den Autorenbetrieb austauscht. Mittlerweile hat sie 8 Bücher geschrieben (wenn ich mich nicht verzählt habe). Sie kann nicht nur Fantasy sondern ist auch in den Genres Thriller und Belletristik unterwegs. Dieses Gespräch hat mir sehr viel Spaß gemacht.... und ihre selbstgebackenen Kekse waren sehr lecker!
Quelle: Leipziger Buchmesse

Frankfurter Verlagsanstalt
Hier hat man mir in einem sehr interessanten Gespräch ein besonderes Buch schmackhaft gemacht: "Der Literaturexpress" von Lasha Bugadze. In diesem Buch geht es um die Frage "Was passiert, wenn man 100 Schriftsteller in einen Zug steckt und quer durch Europa schickt?"
Der Autor kommt aus Georgien, ein Land auf das ich durch Nino Haratischwili's "Das 8. Leben" aufmerksam geworden bin. Und Nino Haratischwili hat dieses Buch tatsächlich ins Deutsche übersetzt, hatte also auch ihre Finger im Spiel. An diesem Buch konnte ich einfach nicht vorbeigehen.

Sonja Rüther
Mit Sonja hatte ich schon mehrfach bei Whatchareadin zu tun. Ihre Bücher sind einfach klasse. Zur Messe hat sie den 2. Teil der Horroranthologie "Aus dunklen Federn" rausgebracht. Mit dem ersten Teil hat sie mich auf den Horror-Geschmack gebracht (wie man hier nachlesen kann...). Daher bin ich gespannt, was das neue Buch hergibt. Aber so, wie ich Sonja kenne, haben sie und die beteiligten Autoren noch eine Schippe draufgelegt. Sie ist übrigens genauso nett und unkompliziert, wie ich sie mir vorgestellt habe. Die nächste Leserunde mit ihr bei Whatchareadin kommt bestimmt.

Edition Nautilus
Eigentlich wollte ich zu Louisoder, einem Verlag aus München, den ich sehr zu schätzen gelernt habe. Auf dem Gemeinschaftsstand mehrerer Verlage kam ich jedoch mit der Pressemitarbeiterin des Verlages Edition Nautilus ins Gespräch. Und wie ich da so stehe, wir uns unterhalten, lasse ich meine Blicke schweifen und stelle erst mal fest, was für Schätze dieser Verlag aus Hamburg im Programm hat: Neue Literatur mit außergewöhnlichen Themen, Kriminalromane, Biografien und Schriften zu Politik und Gesellschaft. Eine sehr beeindruckende Mischung! Hier habe ich ganz viel Zeit verbracht und viele Bücher entdeckt, die mich interessieren. Das Gespräch war sehr lebhaft und interessant.Ich habe mich pudelwohl gefühlt und werde diesem Verlag zukünftig ganz viel Beachtung schenken.

Und schon war der Messetag vorbei. Ich habe nur ein paar Highlights meines Messebesuches herausgepickt. Die Auswahl ist mir nicht leicht gefallen, weil es eigentlich noch viel mehr zu berichten gibt.
Doch das würde den Rahmen sprengen.

Aber im Oktober findet ja die nächste Buchmesse statt..... ;-)

Donnerstag, 17. März 2016

Renie goes Leipzig




Meine erste Buchmesse! Morgen früh geht's mit dem Flieger nach Leipzig. Ich bin wahnsinnig aufgeregt und freue mich wie verrückt. Mein Programm für morgen steht, u.a. bin ich beim Pressefrühstück der Stiftung Buchkunst eingeladen, es geht zum Inoffiziellen Bloggertreffen, initiiert von "Papiergeflüster" und mein Messetag endet mit dem Bloggertreffen bei der Randomhouse Verlagsgruppe. Zwischendurch werde ich meine Lieblingsverlage besuchen, auf Entdeckertour nach neuen Verlagen gehen und hoffentlich den einen oder anderen Autoren und Bloggerkollegen treffen.
Wahrscheinlich habe ich mir viel zu viel vorgenommen. Aber egal, ich bin schließlich eine Meisterin der Improvisation.
Mein Zeug für morgen ist schon gepackt. Am wichtigsten und mit dabei sind: Presseakkreditierung, Sneaker, Blasenpflaster, Flugticket, Geld und Handy. Der Rest ergibt sich :-)

Mittwoch, 16. März 2016

Helmut Pöll: Die Elefanten meines Bruders



Helmut Pöll hat mit "Die Elefanten meines Bruders" einen Roman geschrieben, der einen berührenden Einblick in die Seele eines Kindes gewährt, das zuviel Energie hat.
Der 11-jährige Billy Hoffmann hat von vielem zuviel: zuviel Energie, zuviel Fantasie, zuviele Fragen. Er ist ein anstrengendes Kind - wie viele Erwachsene meinen. Und er leidet an ADHS... nicht, weil heutzutage viel zu schnell und leichtfertig ADHS diagnostiziert wird. Nein, Billy leidet wirklich an dem Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätssyndrom.

Quelle: Helmut Pöll




Worum geht es in diesem Roman?
Billy Hoffmann ist elf und findet es doof, dass zwischen seinem Vor- und Nachnamen kein „Tiee“ steht wie bei einem Amerikaner. „Tiee“ stünde für Trevor oder Timothy, was ziemlich cool wäre.
Sein größter Wunsch ist es, mit seinem großen Bruder Phillipp in den Zirkus zu den Elefanten zu gehen. Das kann er aber nicht, weil der Bruder am Vorabend der Vorstellung überfahren wird....
Die Elefanten meines Bruders - Ein Roman über ADHS und einen Zirkusbesuch, der nie stattgefunden hat. (Klappentext) 

Billy hat von vielem zuviel. Aber etwas fehlt ihm gewaltig: sein Bruder Phillipp. Im Alter von 6 Jahren musste Billy miterleben, wie sein älterer Bruder bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Der Tod von Phillipp hat eine riesige Lücke in seinem bisher kurzen Leben hinterlassen. Heute, 4 Jahre später, hat sich Billys Seele immer noch nicht von dem Verlust erholt. Phillipp fehlt ihm, genauso wie die Elefanten, die die beiden im Zirkus besuchen wollten. 
"Aber vielleicht ist es auch so, dass man einmal im Himmel das wird, was man sich ganz fest wünscht. Wenn ich als Opa sterbe, dann wünsche ich mir, dass ich im Himmel wieder ein kleiner Junge bin. Dann suche ich Phillipp, zeige ihm unsere beiden Eintrittskarten, die ich natürlich bis dahin aufhebe, und gehe endlich mit ihm in den Zirkus." (S. 27)
Zum Glück ist da Mona, Billys Schulkameradin und beste Freundin. Mit ihr kann Billy über alles sprechen. Ihr schüttet er seine Seele aus, sie versteht ihn. Sie können miteinander lachen, sie können miteinander weinen. Sie bilden ein Gespann, das unzertrennlich ist. Beide sind sich einig: Erwachsene sind merkwürdig, kompliziert und unlogisch. Erwachsene nehmen Kinder nicht ernst und verwenden häufig eigenartige Ausdrücke wie "Jemandem einen Bären aufbinden". Und wenn die Kinder dann versuchen, diese Ausdrücke in die Tat umzusetzen, reagieren die Erwachsenen mit Überheblichkeit, Unverständnis oder verlegenem Lachen, so auch in diesem Fall, als Billy sich einen Stoffbären auf den Rücken bindet und damit durch die Wohnung rennt.
"Man darf nicht lügen und man darf nicht berechnend sein. Jedenfalls dürfen Kinder das nicht. Später sieht es anders aus. Wenn man arbeitet, dann darf man auch nicht lügen. Aber wer gar nicht lügt und gar nicht berechnend ist, den beißen die Hunde. Das sagt mein Vater manchmal." (S. 137)
Die Fantasie von Billy ist grenzenlos. Er hängt viel vor dem Fernseher. Seine Helden sind Action- und Krimifiguren. Und dann ist da noch "Star Wars". Die Weltraumsaga hat es ihm angetan. Hier holt er sich Inspirationen für seinen Alltag. Seine Fantasie bewirkt, dass er die Filmwelt in seine Gedankenwelt einfließen lässt - sehr zum Unwillen seiner Eltern, die oft überfordert sind, wenn er mal wieder mit dem Todesstern in der Hand, schreiend durch die Wohnung rast.
Dies ist für ihn u. a. eine Möglichkeit, seiner Energie ein Ventil zu geben, oder, wie er so schön sagt "seinen Fusionsreaktor" vor dem Explodieren zu bewahren.
Billy ist aber auch ein Schlitzohr. Natürlich leidet er unter den Energie- und Panikattacken. Aber genauso ist er auch in der Lage, seine "Anfälle" genau dann zu bekommen oder so zu tun, als ob, wenn es die Situation erforderlich macht - also dann, wenn Ärger droht und es brenzlig für ihn werden könnte.

Der Autor Helmut Pöll hat die Geschichte aus der Sicht von Billy geschrieben. Dabei ist es ihm gelungen, sich auf die Sprache eines 11-Jährigen einzulassen - manchmal altklug, manchmal naiv und immer herzerfrischend ehrlich. Die Logik von Billy ist verblüffend. Und oft stellt man als Leser fest, wie kompliziert die Denkweise von Erwachsenen doch sein kann. Das Leben könnte so einfach sein, wenn man sich ab und zu darauf einlassen würde, die Welt durch die Augen eines Kindes zu betrachten.
"Ein Dilemma ist, wenn man sich für was entscheiden muss, aber beides kacke ist." (S. 142)
Ich habe Helmut Pöll als Betreiber der Lesecommunity "Whatchareadin" kennengelernt. Wir haben einen ganz guten Draht zueinander und tauschen uns gern aus, wenn es um Bücher oder das Forumsleben bei Whatchareadin geht. Insofern war es für mich völlig faszinierend ein Buch zu lesen, das mir eine Seite von Helmut Pöll zeigt, die mir bisher nicht bekannt war. Er schafft es, sich in die ADHS-gebeutelte Seele eines Kindes hineinzuversetzen und die Gedanken dieses Kindes absolut authentisch wiederzugeben. Dies geschieht mit einem Humor, der teilweise zum Brüllen komisch ist. Oft habe ich mich gefragt, wie Helmut Pöll nur auf solche Ideen kommt. Er lässt Billy Sätze von sich geben, die einfach nur originell sind. Trotzdem wirkt Billys Geschichte nie klamaukhaft. Helmut setzt den Humor nur dann ein, wenn es Billys Gefühlslage zulässt. Es gibt Situationen, in denen die Verletzlichkeit von Billys Seele zum Vorschein kommt. Denen begegnet Helmut mit viel Respekt und Einfühlungsvermögen.

Fazit:
Die Geschichte von Billy hat mich berührt, aber auch zum Lachen gebracht. Ich kann sie nur jedem empfehlen, der Kinder hat und manchmal an diesen verzweifelt (also allen Eltern! ;-))
Ich könnte mich ärgern, dass ich dieses Buch nicht schon früher gelesen habe. Mal sehen, wahrscheinlich werde ich sie nochmal mit meinem 11-jährigen Sohn lesen. Ich bin mir sicher, er wird die Geschichte von Billy genauso lieben wie ich.
Klare Leseempfehlung!

© Renie





Über den Autoren:
Helmut Pöll wurde 1964 in Moosburg an der Isar geboren. Nach einer Ausbildung zum Tageszeitungsredakteur arbeitete er als Softwareentwickler und IT Consultant. Helmut Pöll lebt in München. (Quelle: Helmut Pöll)


Donnerstag, 10. März 2016

Evgenij Vodolazkin: Laurus

Evgenij Vodolazkin hat mit "Laurus" einen ungewöhnlichen Roman geschrieben, der phantasievoll ist, mit den Träumen und Visionen der Protagonisten spielt und den Leser manchmal mit seinen spirituellen Ansätzen überfordert.

Quelle: Dörlemann

Worum geht es in diesem Roman?
Der Tod seiner großen Liebe, die er nicht zu retten vermag, treibt einen jungen kräuterkundigen Heiler fort aus seinem Dorf, um Vergessen und Vergebung zu finden. Auf seiner Wanderung durch das pestverseuchte Europa des 15. Jahrhunderts bietet er seine Heilkünste an, wo immer sie gebraucht werden. Auf seiner Reise durch Welten und Zeiten begleiten ihn die unterschiedlichsten Weggefährten, und er muss zahlreiche Gefahren bestehen.
(Klappentext)


Im Mittelpunkt dieses Romanes steht Arseni, der später den Namen Ustine annehmen und sein Leben als Laurus beenden wird.
Arseni wächst zunächst bei seinem Großvater auf, der selbst ein Heiler ist. Der Großvater weiht Arseni in die Geheimnisse der Heilkunst ein und vermittelt ihm sein komplettes Wissen. Als der Großvater stirbt, übernimmt Arseni seine Patienten. Die Leute kommen teilweise von weit her, denn seine Erfolge als Heiler haben sich bereits  herumgesprochen. Eines Tages taucht Ustina bei ihm auf. Sie wird zur Liebe seines Lebens.
"Arseni dachte nicht an Ustina allein. Er vertiefte sich nach und nach in eine ganz eigene, vollkommene Welt, die aus Ustina und ihm bestand. In dieser Welt war er Ustinas Vater und ihr Sohn. Er war ihr Freund, ihr Bruder, vor allem aber ihr Mann. Dadurch, dass Ustina Waise war, blieben all diese Funktionen unbesetzt. Er erfüllte sie. Und da er selbst ebenso Waise war, ergaben sich dieselben Pflichten auch für Ustina. Der Kreis schloss sich: Sie wurden alles füreinander. Die Vollkommenheit dieses Kreises machte die Anwesenheit von Dritten für Arseni unmöglich. Sie waren zwei Hälften eines Ganzen, und alles, was darüber hinausging, schien ihm nicht nur überflüssig, sondern unzulässig. " (S. 74)
Ustina wird schwanger und stirbt bei der Geburt - genau wie ihr gemeinsamer Sohn. Arseni zerbricht fast an diesem Schicksalsschlag, zumal er sich die Schuld an Ustinas Tod gibt. Er verlässt das Dorf, in dem er sein bisheriges Leben verbracht hat und reist durch das Land, immer auf der Suche nach Kranken und Menschen, die seine Hilfe benötigen. Denn dies ist die Buße, die er sich auferlegt hat. Die Leiden anderer zu heilen, um der Seele Ustinas Absolution zu ermöglichen, die ihr bisher verwehrt war, da sie vor ihrem Tod nicht beichten konnte.

Die Pest wütet in dem Land. Arseni mangelt es nicht an Möglichkeiten, seine Heilkünste unter Beweis zu stellen. Irgendwann entschließt sich Arseni, nach Jerusalem zu pilgern. 
Sein Weg ins Heilige Land führt ihn quer durch Europa. Und egal, wo er hinkommt, überall sind seine Heilkräfte gefragt.
Nach seiner Rückkehr und Jahren der Aufopferung geht er als Mönch in ein Kloster. Seine letzten Lebensjahre verbringt er als Einsiedler ... und immer noch kommen die Leidenden zu ihm, um von ihm geheilt zu werden.
"Mein Freund, eine Begegnung ist immer mehr als ein Abschied. Vor der Begegnung war Leere, Nichts, nach dem Abschied aber bleibt keine Leere. Wenn man sich erst einmal begegnet ist, trennt man sich nie wieder ganz. Der andere bleibt einem im Gedächtnis, er wird ein Teil davon. Dieser Teil, den der andere geschaffen hat, lebt weiter in uns, und gelegentlich nimmt er Kontakt mit seinem Schöpfer auf. Wie anders ließe sich erklären, dass wir Menschen, die uns am Herzen liegen, auch aus der Ferne spüren?" (S. 296)

Evgenij Vodolaz verlangt dem Leser mit diesem Roman einiges ab. Anfangs erinnert das Buch an einen Historienroman. Hier wird über einen Heiler aus dem späten Mittelalter berichtet, der während seines Lebens viele aufregende und ungewöhnliche Abenteuer zu bestehen hat. Doch spätestens mit dem Tod von Arsenis Lebensgefährtin wird man auf einmal mit Inhalten konfrontiert, die fernab von jeglicher Realität sind und auf die man sich als Leser einlassen muss. Ein Gemisch aus Visionen, Träumen und Erinnerungen, zusammengehalten von einem Handlungsfaden, an dem man sich als Leser klammert, weil man sich sonst in diesem Buch verliert. Es ist schwierig die Übersicht zu behalten, Realität von Vision zu unterscheiden. Und doch gelingt es Vodolaz den Leser immer wieder aufzufangen. Jedesmal, wenn man kurz vor dem Verzweifeln steht, führt Vodolazkin den Leser von der Vision wieder in die eigentliche Handlung zurück, indem er ein neues Abenteuer einfließen lässt oder mit Wechseln in der Erzählperspektive arbeitet.

"Foma kam am Fluss an und tauchte prüfend den großen Zeh ins Wasser. Er schüttelte betrübt den Kopf, dann trat auch er auf das Wasser. Arseni und die Sawelitschjer sahen schweigend zu, wie die Narren in Christo hintereinander hergingen. Sie schwankten leicht auf den Wellen und ruderten komisch mit den Armen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Sieht so aus, als könnten sie auf dem Wasser nur gehen, sagten die Sawelitschjer. Das Rennen müssen sie erst noch lernen." (S. 184)
Der Sprachstil von Vodolazkin ist sehr kraftvoll. Er beschreibt die Dinge so, wie sie sind. Das Schöne und Idyllische (wenn es auch sehr selten in diesem Roman vorkommt) beschreibt er sehr poetisch, das Schlechte und Hässliche wird dem Leser in einer ungeschönten und verstörenden Weise präsentiert. Dabei verwendet er teilweise eine sehr altertümliche Sprache, die durchaus der Zeit, in der der Roman spielt gerecht wird. Dies wird noch unterstützt, indem Vodolazkin von Zeit zu Zeit alt-russische Satzelemente, die ins Deutsche übersetzt sind, einfließen lässt. Oder aber auch seine Protagonisten von gelegentlich einzelne alt-russische Sätze sagen lässt. Hier ist ein Beispiel:
"Der Kaufmann Negoda ist bankrott, und seine Familie verzeret sich am garben hunger. Um Almosen zu bitten schämt er sich seiner lichten gewande halben." (S. 187)

Im Nachwort von Olga Radetzkaja, die diesen Roman aus dem Russischen übersetzt hat, wird dieses Buch als sprachlicher Paternoster bezeichnet: "Hier kommt ein Fragment aus dem 14. Jahrhundert in Sicht, dort sowjetisch gefärbter Bürokratenjargon oder moderne urbane Umgangssprache." (S. 415) Ich vermute, dass dieses Sprachengemisch mehrerer Epochen durch die Übersetzung verloren gegangen ist. Mir ist dieses Gemisch zumindest nicht eindeutig bewusst gewesen. Leser, die der russischen Sprache mächtig sind, haben hier mit Sicherheit andere Möglichkeiten, an dieses Buch heranzugehen, sollten sie es in der Originalfassung lesen.


Im Nachwort heißt es auch "Nicht die konkrete Zeitschicht, in der man sich jeweils aufhält, steht im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern die Bewegung durch sie hindurch." (S. 415)

Hiermit lässt sich vielleicht erklären, warum man während des Lesens den Eindruck hat, dass manche Dinge in diesem Roman nicht gerade typisch für die Zeit des Späten Mittelalters sind. Für mich gab es einen fast schmerzhaften Einschnitt in diesem Buch, als mir im Text eine neuzeitliche westliche Errungenschaft begegnet ist, die definitiv nicht in diese Zeit gehört. Fehler im Buch oder Absicht des Autors? Diese Frage stellte ich mir. Leider bin ich mir auch, nachdem ich diesen Roman gelesen habe, nicht sicher, wie die Antwort auf die Frage lauten könnte. Der Hinweis, dass es sich bei diesem Buch um eine Reise durch Welten und Zeiten handelt, rechtfertigt nicht diesen gravierenden Einschnitt, zumal sich auch keine weiteren Fälle in dieser Größenordnung in der Geschichte finden lassen. 

Fazit:
Dieses Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits hat es Spaß gemacht, Arseni auf seinem Lebensweg und seinen Abenteuern zu begleiten. Aber gerade dieser eben geschilderte Einschnitt hat mir ein wenig die Freude an diesem Buch genommen. Hinzu kamen die vielen übersinnlichen und spirituellen Komponenten in diesem Roman, die die interessante Handlung oft in den Hintergrund drängten.
Dieser Roman ist mehrfach ausgezeichnet worden und wird von anderen als eigenwilliger Roman bezeichnet. Das stimmt, eigenwillig ist dieser Roman auf alle Fälle. Und man muss sich darauf einlassen können, was mir leider sehr schwer gefallen ist.

©Renie

Laurus von Evgenij Vodolazkin, erschienen im Dörlemann Verlag
ISBN: 9783038200277




Über den Autoren:

Evgenij Vodolazkin
1964 in Kiew geboren, arbeitet seit 1990 in der Abteilung für Altrussische Literatur im Puschkinhaus (Institut für russische Literatur) in St. Petersburg. Er hat zahlreiche akademische Werke und Artikel publiziert. Aufgrund von Forschungsstipendien der Alfred Toepfer- und der Alexander von Humboldt-Stiftung verbrachte er mehrere Jahre in Deutschland. Sein zweiter Roman Laurus ist ein internationaler Erfolg, der in 17 Ländern erscheint. Evgenij Vodolazkin lebt mit seiner Familie in St. Petersburg. (Quelle: Dörlemann)

Sonntag, 6. März 2016

Eleanor Catton: Die Gestirne

Gestirn ist der umgangssprachliche Sammelbegriff für größere, mit freiem Auge sichtbare Himmelskörper, wie z. B. Sonne, Mond, helle Planeten und Sterne. (Wikipedia)



In Eleanor Catton's Roman "Die Gestirne" umkreisen sich die Protagonisten wie Himmelskörper. Sie werden voneinander angezogen und abgestoßen. Und immer wieder entstehen neue Konstellationen im Zusammenspiel der Charaktere. Eleanor Catton ist 2013 für diesen Roman mit dem Booker-Preis ausgezeichnet worden - mit ihren damals 28 Jahren wurde sie damit zur jüngsten Gewinnerin in der Geschichte des Booker Preises.
Quelle: btb



Worum geht es in diesem Roman?
Neuseeland zur Zeit des Goldrausches: Als der Schotte Walter Moody im Januar 1866 nach schwerer Überfahrt nachts in der Hafenstadt Hokitika anlandet, trifft er im Rauchzimmer des örtlichen Hotels auf eine Versammlung von zwölf Männern, die eine Serie ungelöster Verbrechen verhandeln: Ein reicher Mann ist verschwunden, eine opiumsüchtige Hure hat versucht, sich das Leben zu nehmen, und eine ungeheure Summe Geld wurde im Haus eines stadtbekannten Säufers gefunden. Moody wird bald hineingezogen in das Geheimnis, das schicksalshafte Netz, das so mysteriös ist wie der Nachthimmel selbst. (Klappentext)

Mysteriös - das ist der richtige Ausdruck für die Verwicklungen in Hokitika. Jeder der 12 Männer hat in irgendeiner Form mit den Verbrechen zu tun. Welche Rolle sie spielen - ob sie stiller Beobachter sind, ob sie Täter oder Mittäter sind, oder ob sie nur per Zufall in dieses Verwirrspiel geraten sind, offenbart sich dem Leser erst mit der Zeit. Dabei bekommt er es mit ständig wechselnden Erzählperspektiven zu tun. Jeder der Beteiligten bekommt die Gelegenheit, die Vorkommnisse aus seiner Sicht zu erzählen. Dies macht er in der Regel im Gespräch mit einem anderen der Charaktere. Der Leser findet sich dabei in der Rolle des "heimlichen Lauschers" wieder. Er zieht seine Schlüsse aus dem belauschten Gespräch, vergleicht mit den Erkenntnissen, die er aus anderen Gesprächen erlangt hat und stellt fest, dass nicht jeder die Wahrheit sagt.

Die kriminellen Vorkommnisse werden von allen Seiten beleuchtet. Dadurch ergeben sich zwangsweise Wiederholungen in dem Roman, die irgendwann zu unangenehmen Längen führen und beim Lesen ermüden.
"Balfour, der Staines über alle Maßen bewunderte, schätzte dessen Alter auf drei- oder vierundzwanzig Jahre - nicht zu jung, um sein Glück nicht verdient zu haben, und nicht zu alt, um den Verdacht zu nähren, er hätte sein Vermögen auf unehrenhafte Weise gemacht. In der Tat hatte Balfour so etwas nicht entfernt gedacht. Staines war von einer durch und durch gutherzigen Schönheit, der Art Schönheit, die ernst und hoffnungsfroh wirkt, ohne Anspruch darauf zu erheben; charakterlich war er umgänglich, optimistisch und entzückend lebhaft." (S. 156)

Mittwoch, 2. März 2016

David Grossman: Kommt ein Pferd in die Bar

"Kommt ein Pferd in die Bar. Meint der Barkeeper:“Was machst du denn für ein langes Gesicht?“' Dieser Witz ist so schlecht wie er alt ist. Aber keine Angst, dieser Witz kommt nicht in diesem Buch vor. Dafür trifft man auf andere schlechte Witze. Aber das ist gut so, denn beim Lesen dieser außergewöhnlichen Geschichte ist einem nur selten nach Lachen zumute.
Quelle: Hanser Verlag

Worum geht es in diesem Roman?

Für eine gute Pointe gab Dovele schon immer alles. Als Kind lief er oft auf den Händen. Er tat das, um seine Mutter zum Lachen zu bringen und damit ihm keiner ins Gesicht schlug. Heute steht er ein letztes Mal in einer Kleinstadt in Israel auf der Bühne. Er hat seinen Jugendfreund, einen pensionierten Richter, eingeladen. Im Laufe des Abends erzählt der Comedian zwischen vielen Witzen eine tragische Geschichte aus seiner Jugend. Es geht um Freundschaft und Familie, Liebe, Verrat und eine sehr persönliche Abrechnung auf dem Weg zu einer Beerdigung. Dem Kleinstadtpublikum ist das Lachen vergangen. (Quelle: Hanser Verlag)

Dovele tritt also ein letztes Mal auf die Bühne. Sein Auftritt hat etwas Verstörendes und Brutales. Seine Gags sind grausam und verletzend. Er sucht sich "Opfer" im Publikum und macht sie lächerlich. Man hat den Eindruck, dass das Publikum förmlich darum bettelt, von ihm attackiert zu werden. Es wird über jede Geschmacklosigkeit gelacht. Im Publikum befindet sich auch der Richter Avishai, den Dovele zu diesem Auftritt gebeten hat. Die beiden kennen sich aus Kindertagen, haben sich aber über lange Jahre aus den Augen verloren. Den mittlerweile 57-jährigen Dovele beschäftigt die Frage, ob es etwas gibt, was einen Menschen ausmacht und ihn somit von anderen Menschen unterscheidet? Besitzt Dovele dieses Etwas und können andere es erkennen? Er hofft, dass Avishai ihm nach der Vorstellung diese Frage beantworten kann.
Doch Avishai verabscheut Standup Comedy. Aber da er sich Dovele gegenüber verpflichtet fühlt - als Kind hat er Dovele mehrfach im Stich gelassen - lässt er sich überreden.