Ein bisschen skeptisch war ich ja, als ich mir das Buch
gekauft habe. Und gekauft habe ich es nur, weil laut Klappentext ein
Schriftsteller die Hauptrolle spielt, der seinen letzten großen Roman vollendet
hat.
Aber der Schriftsteller Lukas Yoder ist nicht die einzige
Hauptrolle. Da sind noch die Lektorin Yvonne Marmelle, der Kritiker Karl
Streibert und die Leserin Jane Garland.
Sie alle erzählen ihre Geschichte, die miteinander verwoben
ist und am Ende in etwas Wunderbares gipfelt. Trotz des im Klappentext
angekündigten Mordes, auf den man aber bis fast zum Schluss warten muss.
Lukas Yoder, Schriftsteller von Beruf, hat seinen achten und
letzten Roman beendet. Emma, seine Frau, die ihren Karrieretraum aufgegeben hat
und als Lehrerin arbeitet, damit Lukas schreiben kann, ist diesmal nicht ganz
so euphorisch. Hat er doch in seinem letzten Buch die Ökoschiene betreten.
Lukas erste vier Bücher floppten, die nächsten drei wurden
gefeiert. Wie nehmen seine Fans nun den letzten Band auf?
Herman Zollicoffer "war ein stolzer alter Dutchman, dem
es wichtig war, daß Sprache und Sitten seiner Leute der Welt korrekt vermittelt
wurden".
Und so hat es sich Lukas zur Regel gemacht, das Geschriebene
von Herman lesen zu lassen.
Auf der Fahrt zu seiner Farm dachte ich über die heikle Situation nach, in der sich jeder, selbst der erfolgreichste Schriftsteller befindet, der ein Manuskript abgeschlossen zu haben glaubt. Es muß vor dem Urteil einer externen Autorität bestehen, in meinem Fall also vor Zollicoffer. Anschließend wird es vom Lektor auseinandergenommen. Falls es ausgesprochen kontroverse Themen behandelt, werden Juristen es nach eventuell verleumderischen Aussagen durchkämmen. Und zum Schluß muß irgendein Könner der Sprache jeden Satz auf Grammatik und Orthographie überprüfen. Und selbst nach solch aufmerksamer Betreuung kann ein Buch durchfallen, wenn es endlich an die Öffentlichkeit gelangt.
Im Weiteren erzählt Lukas Yoder, wie er seine Lektorin und
seine Agentin kennenlernt und wie aus seiner Sicht seine Bücher entstehen. Da
geht es hauptsächlich über verlagstechnische Dinge, die aber äußerst
unterhaltend beschrieben werden.
Diese Geschichte scheint ein wenig aus der Rolle zu fallen.
Michener hat bisher wohl hauptsächlich historische Romane geschrieben, in denen
er sich mit einem bestimmten Land oder US-Bundesstaat von den Anfängen bis zur
Gegenwart beschäftigt.
Diese Geschichte spielt zwar in Dresden, Pennsylvanien, die
wahrscheinlich deutscheste Region Amerikas, und wir lernen einige urige
Einwohner dieser Region kennen, aber hauptsächlich handelt das Buch von
Büchern, der Literatur, dem Buchwesen. Der Originaltitel "The Novel"
passt daher viel besser zum Buch, als der deutsche Titel.
Das Kapitel über die Lektorin Yvonne Marmelle hat mir sehr
gut gefallen. Wir erfahren dort, dass sie schon als kleines Kind Bibliothekarin
werden wollt. Das kam durch ihren Onkel Judah, der Bücher liebte, der sie schon
frühzeitig an Jugendbücher heran führte, obwohl sie vom Alter her in der
Bibliothek eigentlich nur Kinderbücher ausleihen dürfte.
Für Yvonne war es
eine so sensationelle Erfahrung, mit dem Leben anderer Menschen in Berührung zu kommen, daß ich bei der Rückgabe des Buchs die Bibliothekarin fragte: "Ist das alles tatsächlich passiert?" Und sie hat mir erklärt: "Es ist passiert, aber nur im Kopf der Schriftstellerin. Und natürlich auch in deinem Kopf. Das macht einen Roman aus. Er ist ein Austausch von Träumen."
Schon in jungen Jahren konnte sie einen guten Roman
unterscheiden von einem, der des Lesens nicht wert war. Yvonne wurde zwar nicht
Bibliothekarin, dafür aber eine erfolgreiche Lektorin, die allerdings privat
nicht viel Glück hatte.
Auch das Kapitel des Kritikers Karl Streibert ist sehr
interessant und spannend. Und in dem der Leserin Jane Garland fügt sich dann
alles zusammen. Hier treffen wir sie alle wieder und werden sehen, was aus
ihnen wird. Wie sich nach Glück und Trauer ihr Leben weiterentwickeln wird.
Zum Schluss möchte ich noch ein Zitat bringen. Es sind Sätze
von Leserbriefschreibern an Lukas Yoder, die es fast immer auf die gleiche
Weise ausgedrückt haben (mir geht es auch oftmals so, wenn ich ein schönes Buch
beende):
Wenn ich mich den letzten Seiten eines Romans von Ihnen nähere, dann empfinde ich ein Gefühl ehrlichen Bedauerns, weil ich merke, daß ich eine Beziehung mit Figuren aufgeben muß, die ich liebgewonnen habe. Und eine Ecke der Welt wieder verlassen muß, wo ich lohnende Wochen und Monate verbracht habe. Ich lese nämlich langsam und gründliche. Wenn die Seiten weniger werden, kommt es mir vor, als ob mir etwas weggenommen würde, etwas Kostbares, das unersetzbar ist.
Vielleicht lachen Sie über das, was ich jetzt sagen möchte, aber wenn ich sehe, wie wenig Seiten mir noch bleiben, rationiere ich sie. Dann erlaube ich mir täglich nur einige wenige Seiten, und wenn die letzte Seite kommt und ich das Buch zuschlage, dann starre ich minutenlang auf die Karte auf dem Vorsatzpapier und bin mir bewußt, daß mich etwas Wertvolles angerührt hat.