Donnerstag, 28. Januar 2016

Nathan Filer: Nachruf auf den Mond

Sätze, die einen sprachlos machen!
„Ich werde Ihnen erzählen, was passiert ist, denn bei der Gelegenheit kann ich Ihnen meinen Bruder vorstellen. Er heißt Simon. Ich glaube, Sie werden ihn mögen. Wirklich. In ein paar Seiten wird er tot sein. Danach war er nie mehr derselbe.“ (S. 11)
Quelle: Droemer Knaur

Worum geht es in diesem Buch?
Matthew Homes ist ein begnadeter Erzähler, und Patient der Psychiatrischen Klinik in Bristol. Um dort dem trostlosen Alltag zu entfliehen, schreibt er seine Geschichte auf – und die seines Bruders Simon, der im Alter von elf Jahren während des Campingurlaubs in Cornwall starb. Selbst nach zehn Jahren gibt sich Matthew immer noch die Schuld am Unfalltod seines Bruders. Doch eigentlich ist Simon für ihn gar nicht tot – und Matthew auch kein gewöhnlicher 19-Jähriger. Matthew leidet an Schizophrenie … (Quelle: Droemer Knaur)

Als Matthew 9 ist, kommt durch einen tragischen Unfall sein Bruder Simon ums Leben. Es scheint, als ob Matthew eine Rolle bei Simon’s Tod gespielt hat. Nur welche das ist, offenbart sich dem Leser erst mit der Zeit.

Matthew trägt die Schuld seit 10 Jahren mit sich herum. Er scheint daran psychisch zu zerbrechen. Das Ausmaß der psychischen Probleme, die Matthew hat, offenbart sich im Verlauf der Geschichte. Dabei lässt Matthew (Ich-Erzähler) immer wieder Andeutungen in seine Erzählung einfließen, die Schreckliches ahnen lassen.
„Jacob schaltete seine PlayStation 2 ein und legte Resident Evil ein, und ich sackte auf dem Teppich zusammen und starrte auf den Bildschirm und verlor mich in der Gewalt und dachte darüber nach, Arzt zu werden, Gutes zu tun, Jacobs Mum zu heilen, und auch meine. Und da war noch etwas, noch etwas, das in der Rauchwolke lauerte.“ (S. 93)

Mittwoch, 20. Januar 2016

Arthur Schnitzler: Casanovas Heimfahrt (Edition Büchergilde)

Klassiker sind zeitlos und machen Spaß. Der Sprachstil mag im ersten Moment altmodisch und gewöhnungsbedürftig erscheinen. Doch dann stellt man fest, dass Klassiker anders gelesen werden als "neuere" Bücher. So geht es mir zumindest. Ich lese aufmerksamer und bedächtiger und gebe dieser ungewohnten Sprache eine Chance, ihren ganz besonderen Zauber zu entwickeln. Und schnell stellt man fest, dass auch ein altmodischer Sprachstil seinen Charme hat und den Leser in den Bann ziehen kann. So auch bei Arthur Schnitzler’s „Casanovas Heimfahrt“, erstmalig veröffentlicht im Jahre 1918. Ich habe diese Novelle in einer illustrierten Neuausgabe der Edition Büchergilde gelesen, die Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde.

Worum geht es in dieser Novelle?
Casanova ist verarmt und in die Jahre gekommen. Mit 53 Jahren ist er des Reisens müde geworden und sehnt sich nach seiner Heimatstadt Venedig. Doch durch seine Eskapaden ist Casanova vor vielen Jahren verbannt worden und darf Venedig nicht mehr betreten. Nun hofft er auf Begnadigung, damit er seinen Lebensabend in seiner geliebten Heimat verbringen kann. Auf seinen Reisen nähert er sich Venedig "gleich einem Vogel, der aus luftigen Höhen zum Sterben allmählich nach abwärts steigt, in eng und immer enger werden Kreisen"(S. 5). Eines Tage begegnet ihm Olivo und dessen Familie. Casanova hat vor vielen Jahren an der Hochzeit von Olivo und seiner Frau Amalia teilgenommen und dem Paar mit einem großzügigen Geldgeschenk den Weg in die Zukunft versüßt. Seitdem sieht sich Olivo in Casanova’s Schuld. Als er seinem alten Wohltäter wieder begegnet, lädt er ihn ein, einige Tage in seinem Haus zu verbringen. Zu der Familie gehören 3 Töchter sowie die Nichte Marcolina - eine außergewöhnliche junge Dame: hübsch, geistreich, selbstbewusst und klug. Sie ist eine Herausforderung für Casanova und hat sofort seinen "Jagdinstinkt"geweckt. Und schon begibt er sich auf einen "Eroberungsfeldzug", was angesichts seines Alters nicht mehr ganz einfach ist.
"In der Fremde vermochte er längst nicht mehr ein Glück dauernd an sich heranzuzwingen. Noch war ihm zuweilen die Kraft gegönnt, es zu erfassen, doch nicht mehr die, es festzuhalten. Seine Macht über die Menschen, Frauen wie Männer, war dahin. Nur wo er Erinnerung bedeutete, vermochte sein Wort, seine Stimme, sein Blick noch zu bannen; seiner Gegenwart war die Wirkung versagt. Vorbei war seine Zeit!" (S. 80)
Casanova und die Anderen
Casanova lebt von seinem Ruf. Er ist ein Narziss, der die Eroberung von Frauen für sein Ego benötigt. Er will das Alter nicht wahrhaben und in den Momenten, wo es ihm doch bewusst wird, empfindet er das Altern als Fluch. Er glaubt immer noch an seine ganz besondere Wirkung auf das weibliche Geschlecht. Insbesondere die älteren Frauen lassen sich von seinem Ruf als Liebhaber beeindrucken und biedern sich ihm an. An Möglichkeiten würde es Casanova nicht mangeln. Sobald er eine Frau erobert hat, lässt er sie voller Verachtung wieder fallen. Die Frau hat ihren Zweck erfüllt. Er ist an den jungen und unverbrauchten Frauen interessiert. Sein Beuteschema hat sich in den Jahren nicht geändert. Er ist zwar älter geworden, seine Objekte der Begierde sind jedoch jung geblieben.

Mittwoch, 13. Januar 2016

Antoine Wilson: Ein Mann von Welt

Von Einem, der auszog, ein Mann von Welt zu werden. Dieser Eine ist Oppen Porter, ein Mann von 27 Jahren, der in allem etwas langsamer ist als andere. Doch, was genau ist ein Mann von Welt? Oppen hat seine eigene Definition und die versucht er, dem Leser in diesem Roman zu vermitteln.
Quelle: Suhrkamp/Insel

Worum geht es in diesem Buch?
Oppen Porter, ein gutmütiger Riese, ein Kindskopf, stirbt. Glaubt er jedenfalls. 27 Jahre lang war sein Leben ereignislos, dann ging alles ganz schnell. Er hat seinen Vater begraben, er hat zum ersten Mal seinen kalifornischen Geburtsort verlassen und ist in die Stadt gezogen, er hat in einem Fastfood-Restaurant gearbeitet und einem Freund beigestanden, er hat sein Glück gesucht und gefunden. Und jetzt liegt er, davon ist er überzeugt, auf dem Totenbett. Doch bevor er abtritt, will er seinem ungeborenen Sohn hinterlassen, was er auf seinem abenteuerlichen Ausflug gelernt hat. Also schaltet er das Tonband an und erzählt: von seinen Begegnungen mit Menschen, die alle glauben, ihr Weg sei der beste für ihn. Von Carmen, die ihn so nimmt, wie er ist. Und von seiner Entschlossenheit, ein Mann von Welt zu werden. (Klappentext)

Oppen ist einfach unglaublich. Er ist ein Kind in der Gestalt eines Erwachsenen - eines sehr großen Erwachsenen (1,98 m). Er geht herrlich unbelastet auf die Dinge, die das Leben betreffen, zu. Er beschäftigt sich mit seinen Mitmenschen, mit Politik, Religion, das Arbeitsleben. Und dabei ist er völlig unvoreingenommen. Er beschäftigt sich ausführlich und geduldig mit seiner Umwelt und bildet sich am Ende eine Meinung. Seine Meinung ist jedoch selten im Einklang mit der Meinung anderer, insbesondere derjenigen, die nur sein Bestes wollen. Manche würden sagen, er sei naiv. Aber wie heißt es so schön: "Kindermund tut Wahrheit kund". Also sollte man Oppen genau zuhören, denn egal wie naiv seine Aussagen sind, in jeder steckt ein dicker Funken Wahrheit.

„…, aber ich weiß nicht mehr so richtig, was ich gesagt habe, es ist einfacher, sich daran zu erinnern, was andere Leute gesagt haben, als sich daran zu erinnern, was man selbst gesagt hat, deine Worte kommen aus deinem Kopf raus und ihre Worte kommen in deinen Kopf rein, das leuchtet ja ein, dass am Ende des Tages dein Kopf mit den Worten von jemand anderem voll ist.“ (S. 63 f)


Mittwoch, 6. Januar 2016

Kristine Bilkau: Die Glücklichen

Wenn jemand die höchste Stufe eines schmeichelhaften Glücks erreicht hat, ist er einem gefährlichen Abgrund am nächsten.
(Zitat von Sully Prudhomme
(1839 - 1907), eigentlich René François Armand Prudhomme, französischer Notar und Lyriker, erster Nobelpreisträger für Literatur 1901)

Quelle: Randomhouse


Worum geht es in diesem Roman?
Isabell und Georg sind ein Paar. Ein glückliches. Wenn die Cellistin Isabell spätabends von ihren Auftritten mit dem Orchester nach Hause geht oder der Journalist Georg von seinem Dienst in der Redaktion auf dem Heimweg ist, schauen sie oft in die Fenster fremder Wohnungen, dringen mit ihren Blicken in die hellen Räume ein. Bei abendlichen Spaziergängen werden sie zu Voyeuren. Regalwände voller Bücher, stilvolle Deckenlampen, die bunten Vorhänge der Kinderzimmer Signale gesicherter Existenzen, die ihnen ein wohliges Gefühl geben. Das eigene Leben in den fremden Wohnungen erkennen. Doch das Gefühl verliert sich. ... (Klappentext)




Nach der Geburt ihres Sohnes hat sich Isabell die Rückkehr in ihr Berufsleben einfacher vorgestellt. Sie hat den Anspruch, Mutter- und Musikerrolle perfekt miteinander in Einklang zu bringen. Dabei setzt sie sich dermaßen unter Druck, dass sie auf einmal nicht mehr in der Lage ist, öffentlich mit ihrem Cello aufzutreten. Sie muss sich krank melden. Ungefähr zur gleichen Zeit wird die Zeitung bei der Georg angestellt ist, verkauft. Die Mitarbeiter werden entlassen, Georg ist plötzlich arbeitslos.
"Im Café jammerten die Mütter, um sich zu verbünden, aber es war harmloses Jammern, bevor es wirklich ehrlich wurde, wandelten sich die Gespräche, die Frauen wiegelten ab, es sei ja doch alles so schön, und überhaupt, sie steckten das weg, wie, wüssten sie nicht, das wäre halt so, und Isabell dachte, ihr blöden Mütterkühe, die ihr alles so mühelos schafft -,..." (S. 58)

Freitag, 1. Januar 2016

Andreas Hagemann: Xerubian - Barb Ylon

"Gott hat mal wieder Mist gebaut" - Das war mein erster Gedanke, nachdem ich die ersten Seiten des Fantasyromans "Xerubian - Barb Ylon" gelesen habe. 
Und wer den Vorgängerroman Xerubian - Aath Lan'Tis gelesen hat, wird verstehen, was ich meine. Es ist, als ob es gestern gewesen wäre, dass ich den ersten Teil gelesen habe. Und genau wie beim Vorgänger, bin ich schon nach wenigen Seiten in die fantastische Welt von Xerubian abgetaucht.


Klappentext
Ein heftiges Beben erschüttert die friedliche Welt von Xerubian. Kurz darauf erscheinen riesige Gewitter, in denen ganze Ortschaften verschwinden.

Inspektor Dalon, dessen bequemer Dienstdrache Nerol und ihre beiden Begleiter untersuchen die Geschehnisse. Als ihre Nachforschungen gerade beginnen, überrascht sie eines der Gewitter und transportiert sie in eine andere Welt. Eine Welt aus Dunkelheit und Tod. Sie ahnen nicht, dass diese nur noch wenige Tage existiert.





Die Charaktere
Was habe ich habe mich auf das Wiedersehen mit meinen "alten Freunden" aus dem 1. Teil gefreut: Inspektor Dalon, der kurz vor der Pensionierung steht, sein Freund und Kollege, der junge Martandi sowie die beiden tollpatschigen und verfressenen Drachen Nerol und Dragon. Die vier Freunde haben nichts von ihrem Humor und der Herzlichkeit im Umgang miteinander eingebüßt. Und doch wirken sie gereifter und überlegter. Sie haben fast schon etwas Heldenhaftes an sich. Das Abenteuer, welches sie im ersten Teil zu bewältigen hatten, hat sie geprägt. Und das merkt man ganz deutlich.

Neben bekannten Figuren hat Andreas Hagemann weitere interessante Charaktere ins Leben gerufen, allen voran Sayo. Er ist das jüngste Mitglied des Rates von Barb Ylon, der seinen älteren Kollegen Unfähigkeit und Untätigkeit angesichts der drohenden Zerstörung ihrer Welt vorwirft. Sayo eckt an. Er ist sehr ehrgeizig und versucht, seine Ziele mit allen Mitteln zu erreichen. Sein oberstes Ziel scheint die Rettung seines Volkes zu sein.

In Xerubian hingegen versucht Olaf, ein einflussreicher Bürger und Ratsmitglied von Aath Lan'Tis, ebenfalls seine Welt vor dem Untergang zu bewahren. Man kennt Olaf noch aus dem ersten Teil. Er scheint in Xerubian das Gegenstück zu Sayo zu sein. Man kann viele Parallelen zwischen den beiden erkennen. Nur, dass Sayos Handeln von Ehrgeiz geprägt ist. Olaf wirkt eher wie der weise und intelligente Philantrop, dem nichts anderes als das Wohl seines Volkes am Herzen liegt.