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Wieder mal habe ich über den literarischen Tellerrand geblickt, und wieder mal hat es sich gelohnt. Ich habe mich aus meiner Komfortzone "Gegenwartsliteratur" heraus bewegt und habe einen Ausflug in das Genre "Fantasy" riskiert.
Diesmal habe ich mir Manuel Hirners Roman "Symphonie der Stille" vorgenommen. Der widersprüchliche Titel, genau wie Cover und Plot dieses Romans haben meine Neugierde geweckt.
Der von Geburt an taube Junge Luctu (12) soll die Menschheit retten. Denn diese wird von der Traumzone bedroht, welche sich nach und nach über die Erde ausbreitet und in der kein Leben bestehen kann. Die Ausbreitung der Traumzone nahm ihre Anfänge, als der Urzeitmolch Cudu in tiefem Schlaf versunken und seitdem nicht mehr aufgewacht ist. Luctu wurde auserkoren, den Molch mit einem Lied zu wecken. Denn die Überlieferung besagt, "dass nur das Lied des Tauben Cudu aufwecken und die Traumzone aufhalten könne."
Zugegeben, das hört sich sehr schräg an: Traumzone, Urzeitmolch, ein Gehörloser, der musizieren und die Welt retten soll... Hier wird dem Leser, der bisher einen großen Bogen um Fantasyliteratur gemacht hat, einiges abverlangt, zumal die Sage um den Molch auch gleich zu Beginn dieses Roman erzählt wird. Der Gedanke, dieses Buch in die Ecke zu pfeffern, ist da doch sehr verlockend. Aber was sind schon sechs Seiten (so kurz dauert die einleitende Geschichte über den Molch Cudu), wenn man danach Hunderte von Seiten faszinierender und fantasievoller Spannung vor sich hat? Denn das erwartet den Leser in "Symphonie der Stille".
Quelle: A. Fritz Verlag |
"Aller Schmerz der Welt schien in den Saiten der Violine gebannt, allein befreit durch den sachten Druck seiner Finger, und in einem jedem wuchs der Wunsch hinauszugehen, weg von all dem Leid der Menschen in ein Land der lebenden Träume, doch wohl wissend, dass jener Ort der Sehnsucht unerreichbar bliebe."
Ich behaupte frech, dass sich der Autor Manuel Hirner bei seinem Roman von berühmten Autoren-Kollegen inspirieren ließ, allen voran J. R. R. Tolkien oder Michael Ende. Die Ähnlichkeit zu der Herr der Ringe-Trilogie ist nicht von der Hand zu weisen. Es wäre jedoch unfair, in Manuel Hirner einen Nachahmungstäter zu sehen. Denn die Welt, die er in "Symphonie der Stille" schafft, ist eine eigene und kann durchaus mit der berühmten Vorlage mithalten.
Wie bei Tolkien ist ein Underdog dazu auserkoren, das Böse aufzuhalten. Dabei führt ihn sein Weg in die Traumzone. Unterstützung erhält er dabei von den unterschiedlichsten Charakteren, die ihn bei seiner Aufgabe begleiten und beschützen sollen. Es geht darum, dass Böse aufzuhalten. Denn die Traumzone erschafft ihre eigenen Kreaturen. Und diese sind den Menschen nicht wohlgesonnen. Mit viel Liebe zum Detail konzentriert sich der Autor dabei auf die Beschreibung dieser Kreaturen, so dass man sich jede Figur plastisch vorstellen kann. Gleichzeitig hat der Autor mit der Traumzone eine Welt erschaffen, die in großen Teilen ihren eigenen Naturgesetzen unterliegt. Menschen, Tiere, Natur haben sich den bösartigen Gegebenheiten der Traumzone angepasst, leider nicht zu ihrem Vorteil.
"'Es gibt viele Arten von Kreaturen in der Traumzone, vielleicht mehr als außerhalb. Die so denke ich größte Gruppe bilden jene, die aus anderen Wesen entstanden sind, wie die grauen Männer. Nicht alles stirbt, was in die Grenzen der Zone gerät, vieles verändert sich oder überlebt in einer anderen Form. Einige dieser Kreaturen sind mit den Jahren gigantisch groß geworden, viel größer, als es ihnen unter normalen Umständen möglich gewesen wäre. ..'"
Die Welt, die Manuel Hirner beschreibt ist bösartig geworden.
Und durch diese Welt kämpfen sich der taube Junge Luctu und seine Gefährten. Dabei erleben sie unglaubliche Abenteuer, deren Ausgang aufgrund der Fremdartigkeit der Welt, in der sie sich bewegen, für den Leser nicht vorherzusagen ist. Das sorgt für ungeheure Spannung.
Die Protagonisten in diesem Buch sind natürlich der Junge und seine Gefährten. Dennoch lohnt es sich, einen Blick auch auf andere Charaktere zu werfen. Von Königen bis zu einfachen Leuten ist hier alles vertreten. Und das Zusammenspiel der Figuren ist dabei sehr komplex und ausgefeilt. Und wie es sich gehört, haben wir natürlich auch mindestens einen Schurken unter den Menschen. Wer das sein könnte, lässt sich nur vermuten. Denn scheinbar hat nahezu jeder Charakter in diesem Roman seine eigenen Geheimnisse, die es zu erkunden gilt.
Ein großes Ärgernis gab es allerdings für mich in diesem Roman: Wir erfahren nicht, wie die Geschichte um den tauben Jungen, der die Welt retten will, ausgehen wird. Denn die Geschichte hört sehr abrupt auf und schreit geradezu nach einer Fortsetzung. Auch hier gibt es eine frappierende Ähnlichkeit zu der Tolkien-Trilogie. Nur, dass man bei Tolkien sicher sein konnte, dass die Geschichte zu Ende geschrieben wurde. Bei "Symphonie der Stille" bin ich mir nicht sicher und hoffe, dass die Geschichte weitergeht.
Fazit:
Dieser Roman ist unglaublich spannend und steckt voller kreativer Phantasie. Die Lektüre hat einfach nur Spaß gemacht, so dass mich die Ähnlichkeit zu anderen berühmten Fantasygeschichten in keinster Weise gestört hat. Was mich jedoch gestört hat, ist das offene Ende, das bei mir einen unfertigen Eindruck der Geschichte hinterlässt. Wo bleibt nur die Fortsetzung?
© Renie