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In seinem autobiografischen Roman "Kleines Land" beschreibt der Autor Gaël Faye seine Kindheit in Burundi, einem der kleinsten Staaten Afrikas.
Mit einer Fläche von gerade mal 27.834 Quadratkilometer ist dieses Land kleiner als Nordrhein-Westfalen (34.110 Quadratkilometer), hat aber die größeren Probleme: eine hohe Kindersterblichkeitsrate, eine durchschnittliche Lebenserwartung von 56 Jahren, rivalisierende Bevölkerungsgruppen, Bürgerkriege. Amnesty International, Human Right Watch und Unicef sehen die Lebensverhältnisse in Burundi als problematisch an. Nicht zuletzt die Kinder, sind die Leidtragenden in diesem Kleinen Land: Ausbeutung und Missbrauch von Kindern gehören zum Alltag dazu. Kinder als billige Arbeitskräfte, Kinder als Prostituierte, Kinder als Soldaten.
Doch es gibt auch Kinder in Burundi, die ihre Kindheit genießen können - zumindest bis ihnen der nächste Bürgerkrieg einen Strich durch die Rechnung macht. Eines dieser Kinder ist der Hauptprotagonist dieses Romans - Gabriel, genannt Gaby.
"Die Menschen in dieser Gegend waren wie die Erde. Hinter scheinbarer Ruhe, einer lächelnden Fassade und großen optimistischen Reden waren beständig dunkle, unterirdische Kräfte am Werk, um Gewalt und Zerstörung freizusetzen, die in wiederkehrenden Perioden durchs Land fegten wie tückische Winde: 1965, 1972, 1988. Ein böser Geist schaute regelmäßig vorbei, um die Menschen daran zu erinnern, dass Friede nur ein kleines Intervall zwischen zwei Kriegen ist." (S. 116 f.)
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Gaby hat seine Kindheit in seinem eigenen kleinen Land verbracht. Er lebte mit seiner Familie in einer Sackgasse in Bujumbura, der Hauptstadt Burundis. In dieser Sackgasse war die Welt noch in Ordnung. Kinder, die hier aufwuchsen, waren privilegiert. Ihre Eltern waren wohlhabend und konnten sich und ihren Familien ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Gabys Vater war Franzose, seine Mutter kam aus dem benachbarten Ruanda. Die Kinder, die in dieser Sackgasse lebten, waren dicke Freunde. Sie hatten viel Spaß miteinander und machten natürlich auch viel Blödsinn. Sie lebten in einem geschützten Kokon. Die Jungs bekamen zunächst nicht viel von den Problemen mit, die in Burundi bzw. im Nachbarland Ruanda herrschten. Doch irgendwann war Schluss mit der Idylle. Der Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen Hutu und Tutsi, der im Genozid an den Tutsi gipfelte, machte auch vor Burundi nicht halt. Gabys Mutter machte sich auf die Suche nach ihren verschollenen Angehörigen in Ruanda. Der Vater blieb mit seinen Kindern (Gaby und dessen Schwester Ana) zurück. Als Gefahr und Terror in Burundi immer größer wurden, entschloss er sich, die Kinder nach Frankreich zu schicken.
"Völkermord ist ein schwarzer Sumpf, wer nicht darin untergeht, ist für sein Leben verseucht." (S. 188)
Etwa 20 Jahre später erzählt Gaby die Geschichte seiner Kindheit. In Frankreich fühlt er sich entwurzelt, hat Sehnsucht nach seiner Heimat und will wieder zurückgehen. Der Roman endet schließlich mit der Rückkehr von Gaby nach Burundi.
Die Stimmung, die in diesem Roman vermittelt wird, ist eine Mischung aus Unbeschwertheit und tiefer Traurigkeit. Der Autor Gaël Faye schildert eine Kindheit, die an Lausbubengeschichten erinnert. Die Welt ist in Ordnung, die Kinder haben Spaß, der eine oder andere Streich gehört zum Kindsein dazu. Doch in dem Moment, wo sich die Auswirkungen des Bürgerkrieges auf die Kinder zeigen, nimmt die tiefe Traurigkeit in diesem Roman zu. Der Ich-Erzähler Gaby spürt, wie seine heile Welt zerbricht. Die Anzeichen machen ihm Angst. Er spürt, dass seine Kindheit ein abruptes Ende nehmen wird. Der Sprachstil des Autors tut sein Übriges dazu. Mit seinen leisen Tönen versteht er es, den Leser zu berühren. Gaël Faye hat die Angewohnheit, die einzelnen Kapitel mit einem bedeutungsschwangeren Satz enden zu lassen. Das sind Sätze, die andeuten und nachhallen. Die Wirkung, die er damit erzielt ist eine tiefe Betroffenheit beim Leser. Die Traurigkeit, die Gaby ausstrahlt ist dadurch nahezu körperlich spürbar.
"Ich hatte keine Erklärung für den Tod der einen und den Hass der anderen. Vielleicht ist das Krieg: wenn man nichts versteht." (S. 200)
Fazit:
"Kleines Land" ist ein Buch, das mich durch die Intensität der Gefühle, die vermittelt werden, gefesselt hat. Der Autor Gaël Faye schafft es, Unbeschwertheit und Traurigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Es gibt Passagen in diesem Roman, die liest man mit einem Lächeln. Andere wiederum machen tief betroffen. Ein großartiges Buch, das ich gern weiterempfehle.
© Renie
Über den Autor:
Gaël Faye, 1982 in Burundi geboren, wuchs als Kind einer ruandischen Mutter und eines französischen Vaters auf, bevor er 1995 als Folge des Bürgerkriegs nach Frankreich flüchten musste. Nach dem Ende seines Wirtschaftsstudiums arbeitete er zwei Jahre als Investmentbanker in London, bevor er nach Frankreich zurückkehrte, um dort als Autor, Musiker und Sänger zu arbeiten. Sein erster Roman »Kleines Land« war nominiert für den Prix Goncourt und erhielt unter anderem den Prix Goncourt des Lycéens. (Quelle: Piper)