Donnerstag, 6. September 2018

Bernhard Strobel: Im Vorgarten der Palme

Quelle: Pixabay/skeeze
Das saftige Rasengrün, die grell leuchtenden Lilien, Tagetes, Zinnien, über deren Blüten die Bienen und Hummeln kreisten, unentschlossen, in welchen Kelch des üppigen Büffets sie ihre Saugrüssel zuerst stecken sollten, die Bäume mit ihren behaglichen Schatten unter den dichten Kronen. Wem würden bei einem solchen Anblick unter der strahlenden Nachmittagssonne nicht die Knie weich werden?
... und Herr über dieses idyllische Vorstadtparadies ist Leidegger, dessen Kleinod in dieser botanischen Herrlichkeit seine Palme im Vorgarten ist. Sie hegt und pflegt er. In diesem Paradies führt er mit Ehefrau Martina und der gerade geborenen Tochter ein fast perfektes Leben.

Aber, wie jeder weiß, gehen Geschichten, die im Paradies spielen, selten gut aus. Bei dem einen ist es eine Schlange mit Apfel, die den Frieden stört. Bei Leidegger ist es eine SMS auf seinem Handy, die von seiner Frau Martina gelesen wird. Und schon ist das paradiesische Zusammenleben dahin. Bernhard Strobels Roman "Im Vorgarten der Palme" behandelt den dramatischen Konflikt zwischen den beiden Eheleuten, der aus einer eigentlich unverfänglichen Nachricht heraus entstanden ist. Ist dieser Konflikt tatsächlich dramatisch? Es kommt auf das Auge des Betrachters bzw. Lesers an. Ist die Nachricht tatsächlich unverfänglich? Auch hier kommt es auf das Auge des Betrachters an. Martina betrachtet diese Nachricht auf jeden Fall mit anderen Augen als ihr Mann.
Quelle: Kirchner PR/Droschl

Wer aufgrund der angedeuteten Dramatik mit einem Rosenkrieg rechnet, ist schief gewickelt. Wie gehen die Eheleute also miteinander um?

Diese Frage lässt sich nur aus der Sicht von Leidegger beantworten. Denn die tagelange Auseinandersetzung mit Martina findet selten im Gespräch der Eheleute statt, sondern hauptsächlich auf der non-verbalen Ebene. Leidegger vermutet, Leidegger spekuliert, Leidegger unterstellt, Leidegger nimmt vorweg. Hier wird das Problem, das zwischen den Eheleuten vorherrscht, selten beim Namen genannt. Der Konflikt lebt von Andeutungen, Mutmaßungen und Interpretationen, die jeder mit sich selber austrägt.
Aus Erfahrung wusste er, dass Martina dazu neigte, die Pflanzen zu überwässern. Er hatte sie mehr als einmal gebeten, die Palme zu verschonen und sie allein seiner Obhut zu überlassen. Plötzlich ertappte er sich bei einem Gedanken: Goss sie aus Langeweile oder wollte sie mit diesem Gießen etwas bewirkten? Was konnte sie damit bewirken wollen? Sollte es sich um eine Drohung handeln? Beabsichtigte sie, weil sie sich nicht in der Lage sah, Leidegger körperlich zuzusetzen, an seiner Stelle die Palme zu traktieren? Gleich einem lästigen Insekt fächelte er den Gedanken beiseite, so abwegig kam er ihm vor.

Und Leidegger entwickelt sich zu einem wahren Interpretationskünstler. Der Roman gibt seine inneren Diskussionen wieder, seine Spekulationen, seine Gefühlslage. Er seziert und analysiert das Verhalten seiner Frau. Und das macht diesen Roman aus. Denn hier werden sehr akribisch die Endlosdiskussionen, die Leidegger innerlich führt, wiedergegeben. Das hat anfangs einen gewissen Unterhaltungswert. Insbesondere wenn sich Leidegger dabei als Spießer, der keiner sein möchte, präsentiert und sich selbst in der Rolle des überlegenen Strategen im Krieg mit seiner Frau sieht, was er natürlich nicht ist.

Doch mit der Zeit musste ich feststellen, dass mich diese endlosen Selbstdiskussionen anfingen, zu langweilen. Am Ende frage ich mich, ob dieses sicherlich sehr originelle Thema eines Ehekonfliktes ausreichend Potenzial für einen Roman liefert. Die Handlung ist überschaubar. Es passiert nicht viel. Ehefrau Martina bleibt für den Leser im Hintergrund. Das Buch wird daher durch den inneren Kampf von Leidegger bestimmt. Dieser Aspekt nutzt sich nur leider mit der Zeit ab.
Herausragend ist jedoch für mich der Sprachstil des Autors Bernhard Strobel. Seine fantasievollen Satzkonstruktionen und seine fast schon poetischen Vergleiche haben mir sehr viel Freude gemacht. Der Sprachstil wirkt sehr opulent und schwelgerisch.

Wer also Freude an fantasievoller Sprache hat, ist mit diesem Roman sehr gut aufgehoben, sollte sich jedoch darauf einstellen, dass die Handlungen überschaubar sind.

© Renie




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