Seiten

Freitag, 3. Mai 2019

Elizabeth Strout: Alles ist möglich

Quelle: Pixabay/Peggychoucair
Elizabeth Strout ist eine großartige Geschichtenerzählerin. Mit ihrer Sprache trifft sie mich immer mitten ins Herz. Daher war der neue Roman "Alles ist möglich" ein absolutes Muss für mich.
Sie erzählt darin die Geschichten von Einwohnern einer Kleinstadt im mittleren Westen Amerikas. Der Vietnamkrieg liegt schon viele Jahre zurück. Und dennoch sind die seelischen Nachwehen derjenigen, die im Krieg waren, immer noch zu spüren.

Es ist nicht nur der Wohnort, der die Protagonisten miteinander verbindet. Manche sind verwandt, andere benachbart oder befreundet. Die meisten von ihnen leben hier seit einer gefühlten Ewigkeit. Andere wiederum sind mittlerweile aus ihrer Heimat weggezogen, sind aber immer noch eng mit ihr verwurzelt.
Quelle: Luchterhand
"Die Menschen konnten einen schon überraschen. Nicht nur durch ihre Güte, sondern auch durch ihre plötzliche Fähigkeit, genau die richtigen Worte zu finden."
Elizabeth Strout hat diesen Roman wie eine Sammlung von Erzählungen aufgebaut. Jede der Erzählungen behandelt die aktuelle Lebenssituation eines anderen Protagonisten. Dennoch sind diese Geschichten miteinander verwoben. Denn in einer Kleinstadt kennt man sich schließlich und redet mit- und übereinander.

Die Charaktere in diesem Roman werden von der Autorin auf eine sehr feinfühlige und behutsame Weise gezeichnet. Sie sind verletzlich, kämpfen mit den Albträumen ihrer Vergangenheit. Einige hat dieser Kampf stark gemacht, andere wiederum hat dieser Kampf in die Knie gezwungen. Sie haben Sehnsüchte, träumen von einem besseren Leben oder sind zufrieden mit dem, was sie haben. So ist das Leben.
"Wie fern sie jetzt schienen, die Zeiten, als Charakter noch alles war, der Altar, vor dem die Welt sich neigte."
Und bei Elizabeth Strout ist das Leben ein langer ruhiger Fluss. So meint man zumindest, wenn man in ihren entspannten und unaufgeregten Sprachstil eintaucht. Einen Spannungsbogen, der zu einem Höhepunkt führt, braucht sie nicht. Der Weg ist das Ziel. Und der Weg ist in dem Fall die Zeichnung ihrer Charaktere in zarten wohltuenden Farben.
Dieses Buch wird nicht zu meinen Strout-Favoriten gehören. Ich mag lieber diejenigen aus ihrer Sammlung, die von Anfang bis Ende einen Handlungsstrang haben. Doch das ist Geschmackssache."Alles ist möglich" ist jedoch immer noch so gut, dass ich es gerne weiterempfehle.

© Renie