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Mittwoch, 29. August 2012

Margaret Skjelbred: Die Vestfold-Saga

"Die Vestfold-Saga", besteht aus drei Büchern. Als ich im Buch die Beschreibung der einzelnen Bücher las, klickte es auf einmal bei mir. Das Buch "Windgesang" habe ich seit Längerem in meinem Regal stehen. Ich weiß nicht mehr woher ich es habe, möglicherweise auf einem Flohmarkt gefunden. Der Klappentext hatte mir damals gefallen und nun erfahre ich, dass es zu dieser Saga gehört. Da bin ich froh, dass ich es bisher noch nicht gelesen habe.

Das erste Buch, "Lerchenherzen", begann ganz verwirrend. Der Ich-Erzähler, oder wohl eher die Erzählerin, schmeißt mit Namen um sich, über die ich sofort den Überblick verliere. Aber nach den ersten sehr kurzen Artikeln schälen sich einige Personen heraus, über die dann ausführlich erzählt wird. Und mittlerweile macht das Lesen Spaß. Wenn ich auch bis zum Schluss nicht den totalen Durchblick erhalten habe, was die vielen Personen anbelangt. Kein Wunder, umfasst dieses Buch doch fast ein ganzes Jahrhundert. Ein anderes Buch hätte ich wahrscheinlich abgebrochen, aber hier konnte ich es einfach nicht. Es war wie ein Sog, ich musste einfach weiterlesen.
Und zum Schluss fügte sich vieles zusammen, wurden einige Fragen, die ich mir beim Lesen stellte, beantwortet.
Einen tollen Schreibstil hat Margaret Skjelbred. Es ist, als wenn dir jemand gegenübersitzt und aus früheren Familiengeschichten erzählt. Herrlich.

In "Windgesang" herrscht weiterhin der schöne Erzählstil vor. Die Geschichte dreht sich nun hauptsächlich um Solfrid, deren Mann Nils-Jan im ersten Teil gestorben ist, und ihren Sohn Jakob. Solfrid lernt Eric kennen, von allen jungen Frauen umschwärmt. Sie verbringen einen wundervollen Sommer. Durch Eric wird ihr Horizont erweitert. Er studiert an einer Uni. Interessiert sich für die Weltpolitik, während Solfrid bisher nur den lokalen Teil ihrer Zeitung las.
Der dünne Trauerpanzer, den sie bisher noch trug, fällt diesen Sommer von ihr ab, und sie sucht nach einer sinnvolleren Tätigkeit. Sie möchte Krankenpflegerin werden.

Alle paar Kapitel kommt auch der kleine Jakob, dreieinhalb, zu Wort. Seine Gedanken sind in Kursivschrift abgedruckt. Ich werde noch nicht schlau daraus, was das zu bedeuten hat. Ihm fehlt der Vater. Er spricht über ihn als einen Ton in der Flasche. Und er versteht die Erwachsenen nicht. Er mag es nicht, wenn seine Mutti traurig ist. Und er merkt schon einen Unterschied: Wenn sich die Großen über tote Menschen unterhalten, verhält sich seine Mutti unterschiedlich. Bei den anderen weint sie nicht. Schaut sie sich zusammen mit Jakob aber Bilder vom Papa an, weint sie immer. Und das mag er nicht.

Das Buch springt zeitlich viel hin und her. Zwischendurch wird dann über Personen, die bisher nur namentlich aufgeführt werden, auch was erzählt.
Zum Beispiel die Geschichte von Evine. Evine, die ganz abgesondert von all den Einwohnern lebt. Sich keinem Menschen angeschlossen hat. Kaum den Mund aufmacht.
Sie hatte eine schreckliche Kindheit. Mit einem schlagenden Vater. Musste mit ansehen, wie der ihre Mutti geprügelt hat, bis sie blutete. Der auf dem Hof Vögel aus reinstem Spaß abschoß und der dann verlangte, dass sie sich darum kümmerte. Sie hat die toten Vögel dann vergraben, damit die Katze sie nicht aufspürt. Sie weiß genau, wenn der Vater die Katze mit einem blutigen Maul erwischt, wird er auch die töten. Eine Kindheit also voller Angst und Schrecken für ein kleines, zartes Mädchen.

Und diese Evine trifft jetzt als alte Frau auf Lars, Vater von Solfrid. Der seit dem Tod von Solfrids Mann Nils-Jan mit dem Leben wohl nicht mehr klarkommt. Es scheint aber noch mehr dahinterzustecken. Er kämpft anscheinend mit bösen Erinnerungen aus dem Krieg, bekommt immer öfter Herzrasen, dass er Angst hat zu sterben.
Nun hat er sich im Wald zurückgezogen. Mit einem Gewehr. Den Lauf unter seinem Kinn. Und in dieser Position kommt Evine auf ihn zu.
Und Lars, der mit seiner Frau nicht darüber reden konnte, erzählt Evine seine Erlebnisse während des Krieges. Erzählt über die Angst, die in den Augen jedes einzelnen Mannes zu lesen war. Und über eine Frau und deren zwei Töchter, mit der er die vier Jahre zusammen war.
Alles redet er sich bei Evine von der Seele.

Und nun ist Evine tot. Man hat sie in der Ortschaft lange vermisst, bevor sich Ragnhild und Solfrid auf den Weg machen zu ihrem entlegen liegenden Hof. Und dort finden sie Evine tot im Schnee liegen. Und Lars erweist ihr einen letzten Dienst: Er holt sie mit dem Wagen vom Hof runter, damit sie beerdigt werden kann.

Es sind einfach zu viele Menschenschicksale, als dass ich hier über alle berichten kann. Da wäre auch noch Inger zu erwähnen, die in ihrer Ehe mit Hans immer unglücklicher geworden ist. Die älteste ihrer Töchter schaut niemanden von beiden ähnlich. Da hat sich Inger früher mal gehenlassen und die Quittung für bekommen. Sie schafft es aber einfach nicht, ihren Mann zu verlassen.

Solfrid vermisst Eric. Nach dem Klappentext hatte ich eigentlich gedacht, dass dieser nicht nur einen Sommer lang in der Geschichte vorkommt. Seinbe Hauptrolle bestand darin, Solfrid aus ihrer Trauer ins Leben zurückzuholen. Das wurde auch Zeit. Sie ist jung und sollte noch etwas vom Leben haben. Ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin läuft. Und wie durch Zufall lernt sie während ihrer Ausbildung den Mann kennen, mit dem Inger damals ins Bett gehüpft ist. Es bleibt abzuwarten, ob sich da noch etwas ergibt.

Zum Ende des Buches muss Lars dem kleinen Jakob noch das Leben retten, der von einer hohen Leiter fällt. Ich hatte schon die Befürchtung, dass Solfrid nach ihrem Mann nun auch noch den Sohn verliert. Aber das ist glücklicherweise noch einmal gut gegangen.

Der dritte Teil der Vestfold-Saga beginnt damit, dass Mutter und Sohn, Solfrid und Jakob, Urlaub machen auf Elvines ehemaligem Hof. Unter der Bedingung, dass er später an Jakob weitergegeben wird, wurde er nun erst einmal Solfrid überschrieben. Dorthin geht sie mit ihrem Sohn, wenn sie Ruhe braucht. Und um das bisschen freie Zeit, die sie hat, mit ihm ganz allein zu verbringen. Sie braucht ihn dort nicht mit den Großeltern zu teilen, die sich unter der Woche, während ihrer Ausbildung, um ihn kümmern. Und die beiden genießen diese Zeit.