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Freitag, 15. Dezember 2017

Yael Inokai: Mahlstrom

Quelle: Pixabay/Noupload
"Mahlstrom" - ein treffender Titel für einen Roman, dessen Handlung einen Sog entwickelt, der mich förmlich mitgerissen hat. Für mich ist dieser beeindruckende Roman der Schweizerin Yael Inokai eine meiner Entdeckungen dieses Jahres.


Die Autorin führt den Leser in ein schweizerisches Bergdorf, in der die Welt alles andere als in Ordnung ist. Die Geschichte beginnt mit dem Selbstmord von Barbara, einer jungen Frau, die von Geburt an hier gelebt hat. Man findet ihre Leiche im Fluss. Natürlich stellt sich die Frage, was Barbara dazu getrieben hat, Selbstmord zu begehen. Erzählt wird die Geschichte aus mehreren Perspektiven. Barbara gehörte zu einer Clique von 6 jungen Menschen, die zusammen in diesem Dorf aufgewachsen sind. Diese Personen erinnern sich an Episoden aus ihrer gemeinsamen Kindheit bis hin zur Gegenwart. Dabei entwickeln sich Bilder von der Dorfgemeinschaft und ihrem Miteinander, die nur schwer zu verdauen sind.

"Wir dürfen sie beerdigen, stand schließlich auf einem Formular.
Die Eltern und der Bruder suchten einen Sarg aus.
Die Gärtnerin fing mit Graben an.
Der Geistliche begann zu schreiben.
Wir anderen lagen im Dunkel unserer Häuser und gaben vor zu schlafen." (S. 8)

Quelle: Rotpunkt Verlag
Wer davon ausgeht ist, dass die 6 Personen Freunde seit Kindheitstagen sind, wird eines Besseren belehrt. Der "Freundeskreis" wird im Verlauf der Erzählung förmlich seziert. Im Roman taucht der Satz auf: "..., dass man ein ganzes Leben zusammen sein kann, ohne sich je gegenseitig zu sehen und wahrzunehmen." (S. 129). Diese Aussage trifft das Leben der Freunde in diesem Dorf auf den Punkt. Sie geben wenig von sich Preis. Sollte ich die einzelnen Personen charakterisieren, ich könnte es nicht. Selbst wenn sie als Kinder viel Zeit miteinander verbracht haben, sind sie sich doch fremd geblieben. 



Das Leben in diesem Dorf ist kein Zuckerschlecken. Yael Inokai beschreibt eine Dorfgemeinschaft, die herzlich wenig mit dem Idyll eines Bullerbü zu tun hat. Stattdessen trifft man auf Misstrauen, Gehässigkeit und Falschheit. Schwächen und Andersartigkeit werden nicht verziehen. Ganz im Gegenteil. Hier herrscht eine Hackordnung, in der Schwächere bestraft werden. Diese Mentalität findet sich von klein auf in dieser Dorfwelt. "Kinder können grausam sein" - ein Gedanke, der einem bei der Lektüre dieses Romanes mehrfach durch den Kopf schießen wird.

"Manchmal bist du eben dran, sagte er, nachdem wir uns aufs Bett gesetzt hatten, aber dann sind auch wieder andere dran. Das darfst du nicht persönlich nehmen." (S. 110)

Mein Highlight in diesem Roman ist der eindringliche Sprachstil der 28-jährigen Autorin, der mich von der ersten Seite an fasziniert hat. Er sorgt für eine Stimmung, die ich zwar als bedrückend empfunden habe, der ich mich aber auf gar keinen Fall entziehen wollte. Denn Yael Inokai spielt mit der Sprache, indem sie ungewöhnliche Vergleiche und Metaphern verwendet. Dadurch wirkt ihr Stil sehr poetisch. Durch geschicktes Platzieren von Andeutungen entwickelt sich eine Spannung in dem Roman, die einen nicht loslässt. Die Frage nach dem Warum von Barbaras Selbstmord, tritt mit der Zeit in den Hintergrund. In den Vordergrund rückt dafür das Miteinander der "Freunde" und ein gemeinsames Geheimnis, das im Verlauf der Geschichte aufgedeckt wird.

Fazit:
"Mahlstrom" ist hohe Erzählkunst. Der Roman fasziniert durch seinen poetischen Sprachstil und die Stimmung, die auf den Leser übertragen wird. Yael Inokai ist für mich eine Entdeckung. Ich freue mich schon auf weitere Bücher von ihr.

© Renie



Über die Autorin:



Yael Inokai (vormals Pieren) wurde 1989 als Tochter einer Deutschen und eines Ungarn in Basel geboren. Philosophiestudium in Basel und Wien; seit 2014 Studiengang Drehbuch an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, Berlin. Tätigkeit als Fremdenführerin. Publikationen in verschiedenen Literaturzeitschriften sowie auf Zeit online. Aufenthaltsstipendium Literarisches Colloquium Berlin; Hildesheimer Stadtschreiberin für Bella Triste. Nach ihrem viel beachteten Debüt Storchenbiss (2012) legt sie mit Mahlstrom nun ihren zweiten Roman vor. (Quelle: Rotpunkt Verlag)