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"Bauernsohn sucht Frau. Wohnt allein. 80 ha."
Der Bauernsohn, der hier eine Frau sucht, ist kein Exemplar der populären TV-Verkupplungsserie, auch wenn der Verdacht nahe liegt. Unser Bauer ist Jan. Sein Hof befindet sich an Hollands Nordseeküste, einsam gelegen, direkt hinter dem Deich. Manche bezeichnen diesen Ort als Idylle, für andere ist dies ein Ort, wo der Hund begraben liegt.
Hier lebt Jan, ohne Hund und Katze und sonstigem Viehzeug. Aber dafür mit ganz viel Fläche, die es zu beackern gilt. Das ist sein Leben: Ackern. Seine sozialen Kontakte sind gleich Null. Es kann vorkommen, dass er wochenlang mit keinem Menschen redet. Er hat keine Verwandten mehr – seine Eltern sind vor einiger Zeit bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Zuviel Einsamkeit schlägt aufs Gemüt. Das erkennt auch Jan. Daher entschließt er sich, seinen desolaten Zustand mittels Kontaktanzeige zu verändern.
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"Er schaltet den Fernseher wieder aus, legt sich aufs Sofa und versucht sich zu erinnern, wann er zum letzten Mal mit jemandem gesprochen hat, und über was. Ihm fällt nur der Fahrer ein, der die Rüben abgeholt, hat, und das war im November, vor gut einem Monat."
Doch er, der Eigenbrötler, der er mit den Jahren geworden ist, war zunächst nicht auf das vorbereitet, was da kommt: Wil, die auf seine Anzeige geantwortet hat, das Subjekt seiner Wahl, und die seinen Hof nun im Sturm okkupiert.
Auch Wil hat ihr Päckchen zu tragen. Sie ist ein Mensch, der bis jetzt unter seiner Willenlosigkeit gelitten hat. Ihre Gutmütigkeit gegenüber anderen hat dazu beigetragen, dass sie immer für andere da war und sich nach deren Willen orientiert hat. Das hat ihr nicht gutgetan. Auf Anraten ihres Psychotherapeuten nimmt sie, die sich bis jetzt immer von anderen Menschen leiten ließ, ihr Leben nun selbst in die Hand. Der einzige Wille nach dem sie sich zukünftig richten wird, ist ihr eigener. Ihr schwebt ein Neuanfang irgendwo am Meer, in der Einsamkeit, vor. Und da kommt Jan mit seiner Kontaktanzeige ins Spiel. Sie zieht überfallartig bei ihm ein, was ihn doch sehr überfordert, zumal er auch wenig dabei mitzureden hat. Denn er hat zwar den Wunsch nach einem Zusammenleben mit einer Frau, weiß jedoch nicht, wie das geht. Denn Zusammenleben bedeutet Veränderung. Und damit kann er nur sehr schwer umgehen. In sehr langsamen Schritten lernen Wil und Jan aufeinander zuzugehen. Leider wählen sie dabei nicht den direkten Weg. Denn ihr Zusammensein birgt einiges an Konfliktpotenzial, das sie sich immer wieder voneinander entfernen lässt.
Der Roman behandelt also die Entwicklung der Beziehung von Jan und Wil, zweier Menschen, die nie gelernt haben, sich auf andere einzulassen. Die Handlung wird aus wechselnder Erzählperspektive erzählt, bestimmendes Thema ist dabei die Einsamkeit der Menschen. Jeder wirkt für sich isoliert. Gerade zu Beginn des Romans wird diese Isolation überdeutlich. Dazu trägt auch bei, dass außer den beiden so gut wie keine handelnden Figuren in dieser Geschichte stattfinden. Die Handlung wird von den beiden dominiert. Nur selten kommt es zu Interaktionen mit anderen Menschen, bspw. Dorfbewohnern, bei denen Wil aneckt. Oder Wils Mutter, die seit einem Schlaganfall geistig verwirrt ist und in der Vergangenheit lebt.
"'... du musst dir klarmachen, dass ich hier bin, um nicht nur in mein, sondern auch in dein Leben Ordnung zu bringen, dass ich es satthabe, mir von anderen vorschreiben zu lassen, was ich zu tun habe, und deshalb will ich, dass wir jetzt und hier an diesem Frühstückstisch über uns und den Hof verhandeln....'"
Das Zusammenleben von Wil und Jan ist ein ständiger Lernprozess, wobei Jan mit der Zeit den aktiveren Part bei der Annäherung zu Wil übernimmt. Es ist fast schon rührend, wie sehr er sich bemüht, das Zusammenleben mit Wil möglich zu machen. Die beiden scheinen mit der Zeit die Rollen zu tauschen. Wil, die anfangs den Hof im Sturm besetzt hat, verschließt sich mit der Zeit. Und Jan, der anfangs die Besatzungsphase von Wil fast stoisch erduldet hat, öffnet sich mit der Zeit. Denn er will, dass die Beziehung funktioniert. Eine wunderschöne Entwicklung, die der Autor seinen Protagonisten hier widerfahren lässt!
Trotz aller Einsamkeit und Traurigkeit über die Schwierigkeiten seiner Protagonisten, sich zu einem gemeinsamen Leben zusammenzuraufen, gelingt es dem Autor, eine gehörige Portion Situationskomik in dieser Geschichte unterzubringen. Es gibt diese Momente, die man sich bildlich vorstellen kann und in denen Dinge passieren, die zum Brüllen komisch sind. Dafür habe ich dieses Buch geliebt. Denn diese Kombination aus Einsamkeit, Traurigkeit und Situationskomik ist sehr gelungen und macht das Buch zu einem Spaß mit ernstem Hintergrund. Leseempfehlung!
© Renie