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In welcher Welt leben wir? Und wo geht die Reise hin? Mögliche Antworten auf diese Fragen liefert die Satire "QualityLand" von Marc-Uwe Kling.
Nehmen wir unseren Alltag mit all den Dingen, die uns das Leben leichter und schöner machen: Computer, Internet, Online-Shopping, Social Media, etc. etc. etc. Wir haben uns bereits an die angenehmen Vorzüge dieser Errungenschaften gewöhnt und nutzen sie mit einer Selbstverständlichkeit, die sie nicht mehr aus unserem Leben wegdenken lässt. Das hält uns jedoch nicht davon ab, über diese Dinge zu schimpfen. Das Argument "Zeitfresser" wird gerne in diesem Zusammenhang genannt. Oder aber auch "der gläserne Nutzer". Jeder von uns (oder sagen wir die meisten) hat Angst, zuviel von sich im Internet preiszugeben. Die Angst, dass die eigenen Daten von wem auch immer im Netz missbraucht werden, ist unterschwellig vorhanden. Aber ich schwöre, egal, was wir uns vorstellen oder befürchten, es ist nichts im Vergleich zu dem, was in QualityLand zum Alltag gehört. Die Fantasie kennt keine Grenzen und Marc-Uwe Klings Fantasie geht weit über die Vorstellungskraft des Lesers hinaus.
Quelle: Ullstein |
Klappentext:
"In der Zukunft läuft alles rund: Arbeit, Freizeit und Beziehungen sind von Algorithmen optimiert. QualityPartner weiß, wer am besten zu dir passt. Das selbstfahrende Auto weiß, wo du hinwillst. Und wer bei TheShop angemeldet ist, bekommt alle Produkte, die er haben will, zugeschickt, ganz ohne sie bestellen zu müssen. Superpraktisch! Kein Mensch ist mehr gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen - denn in QualityLand lautet die Antwort auf alle Fragen: OK."
Ist das nicht toll? Ein Leben in QualityLand scheint die nächste Ausbaustufe zu unserem heutigen Alltag zu sein.
Herrlich, man muss sich über nichts Gedanken machen. Das übernehmen künstliche Intelligenzen für uns, die wir geschaffen haben. Es geht jedoch das Gerücht, dass sich die künstlichen Intelligenzen mittlerweile selbst erschaffen ;-).
Die Satire "QualityLand" ist ein Sammelsurium an witzigen und fantastischen Ideen des Autors. Egal, womit wir in unserem Alltag zu tun haben, Kling nimmt es und setzt noch einen drauf. Dies schafft beim Leser große Verblüffung. Zum Einen, weil er trotz allem Unbehagens im Umgang mit Internet, Social Media usw. bisher nie so weit wie Kling gedacht hat. Und zum Anderen, weil er feststellt, wie dicht wir mit unserem heutigen Alltag an Klings Szenario dran sind.
"'... Ich sag Ihnen mal was. Die Bestsellerlisten anzuführen ist keine Kunst. Das ist nur EDV! Wir kriegen gigantische Datenmengen von allen QualityPads geliefert: Wer liest welches Buch, welche Stellen werden übersprungen, welche öfter gelesen, dazu noch die Auswertung der Gesichtszüge von jedem einzelnen Leser bei jedem einzelnen Wort, und daraus errechnen ich und meine Kollegen die neuesten Bestseller. ...'" (S. 67 f.)
Einige Charaktere in "QualityLand":
In QualityLand hat man das uns bekannte System der Familiennamen abgeschafft. Stattdessen trägt jeder Einwohner den Beruf des Vaters als Nachnamen. Menschen und deren Bedeutung werden über ihren Beruf bestimmt. Nur blöd, wenn der Vater arbeitslos war. Dann entsteht ein Name wie Peter Arbeitsloser - einer der Hauptcharaktere in Klings Satire, der am Ende heldenhaft gegen das System ankämpft. Unterstützt wird er dabei von ausrangierten Maschinen und Rechnern, die bei Peter zur Verschrottung vorstellig geworden sind. Denn dieser betreibt einen Laden, indem er Elektronik verschrottet. Doch Peter hat ein Herz und Mitleid für nutzlos gewordene Maschinen, insbesondere, wenn diese menschlicher wirken als der größte Teil der Bewohner von QualityLand. Das Zusammenspiel zwischen Peter und den Maschinen erinnert ein Stück weit an Romane von Terry Pratchett.
Ein weiterer Charakter in diesem Roman ist Martyn Aufsichtsrat-Stiftungspräsident-Berater-im-Präsidialamt-Vorstand, kurz Martyn Vorstand. Man ahnt, Martyn ist mit einem einflussreichen und mächtigen Vater gesegnet (bzw. verflucht). Martyn ist nicht gerade ein cleveres Bürschchen, daher hat er eine Karriere für sich gewählt, die seinen beschränkten geistigen Fähigkeiten entspricht: er ist in die Politik gegangen. Dank des Einflusses seines Vaters führt Martyn ein sorgenfreies Leben. Doch das wird sich im Verlauf der Handlung ändern.
QualityLand steht kurz vor den Wahlen. Der Spitzenkandidat der aktuellen Regierungspartei ist John of Us, ein Android, der den Wahlkampf auf die einzige Art betreibt, die ihm möglich ist, nämlich logisch. Der Gegenkandidat ist ein Mensch. Wer am Ende die Wahl gewinnen wird, bleibt bis zum Ende offen.
"'... ihr habt einen Präsidenten bestellt und einen bekackten Klugscheißer geliefert bekommen.'" (S. 77)
Wenn man diese Satire liest, muss man sich auf eines gefasst machen. Und das ist ganz viel Humor. Ich habe selten einen Roman erlebt, bei dem ich so häufig lauthals losgelacht habe. Bei den meisten lustigen Büchern, gewöhnt man sich irgendwann während der Lektüre an deren Humor. Über Dinge, die man am Anfang urkomisch fand, liest man im Verlauf der Handlung hinweg. Das wird bei "QualityLand" nicht passieren. Die komischen Momente nehmen selbst zum Ende des Buches nicht ab und überraschen immer wieder aufs Neue.
"'... Man könnte sogar behaupten, in QualityLand gelte der Grundsatz: Je bescheuerter, desto erlaubter.'" (S. 237)
Fazit:
Die sicherlich sehr originelle Handlung habe ich in diesem Buch als nebensächlich betrachtet. Viel interessanter und faszinierender war für mich die Beschreibung von QualityLand und seinem Alltag, der so viel Ähnlichkeit mit unserem eigenen Leben hat. Die grenzenlose Fantasie von Marc-Uwe Kling ist einfach nur verblüffend. Er schafft Szenarien, die man sich in seinen wildesten Träumen nicht vorgestellt hätte. Das Buch "QualityLand" ist ein riesengroßer Spaß, jedoch mit einem bitteren Beigeschmack. Denn von der Zukunft, wie sie hier prophezeit wird, sind wir nicht mehr weit entfernt.
© Renie
Über den Autor:
Marc-Uwe Kling singt Lieder und erzählt Geschichten. Sein Geschäftsmodell ist es, kapitalismuskritische Bücher zu schreiben, die sich total gut verkaufen. Seine Känguru-Geschichten wurden 2010 mit dem Deutschen Radiopreis und 2013 mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. (Quelle: Ullstein)