Wer meinen Blog schon länger besucht, wird längst festgestellt haben, dass ich gerne Indie lese. Ich bin ständig auf der Suche nach Neuem, und gerade die Szene der unabhängigen Verlage bietet ein unerschöpfliches Potenzial an außergewöhnlichem Lesestoff. Viele dieser Verlage haben sich spezialisiert und konzentrieren sich mit ihrem Programm auf bestimmte Themengebiete. Die Schwierigkeit, die diese unabhängigen Verlage vereint, ist das Problem der geringen Wahrnehmung durch den Leser. Eine aufwändige Werbemaschinerie kann sich nur ein Verlag leisten, der ein großes Marketingbudget hat. In der Regel sind dies die konzerngeführten Verlage.
Eine Veranstaltung, wie die text & talk, die gestern in Düsseldorf stattgefunden hat, ist daher ein sinnvoller Weg, um das Programm unabhängiger Verlage in die Öffentlichkeit zu tragen.
Wieviele unabhängige Verlage es in Deutschland gibt, ist kaum feststellbar, da die Statistik keinen Unterschied zwischen den beiden Verlagsgruppen macht. Um eine kleine Vorstellung zu bekommen, welches Potenzial im deutschen Indiebook-Verlagswesen vorhanden ist, empfehle ich einen Blick auf die Liste unabhängiger Verlage auf dem Hotlistblog. Der Hotlistblog befasst sich mit der alljährlichen Vergabe des Hotlist-Preises, der ausschließlich unabhängigen Verlagen vorbehalten ist. Aber selbst die Verlagsliste auf dem Hotlistblog erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Insofern wundert es nicht, dass bei der gestrigen Messe in Düsseldorf nur ein Bruchteil der unabhängigen Verlage vertreten war, schwerpunktmäßig Verlage mit Sitz in NRW.
Ich hatte das große Vergnügen, hochinteressante Gespräche mit einigen Verlegern zu führen. Alle, mit denen ich gesprochen habe, hatten eines gemeinsam: ihre Leidenschaft für ihren Beruf und ihre mitreißende Begeisterung für ihr Verlagsprogramm. Ich möchte an dieser Stelle einige Verlage hervorheben, um deutlich zu machen, was für Leseperlen bei einigen zu entdecken sind:
Der Alawi-Verlag, der ausschließlich Werke arabischer Autorinnen veröffentlicht und somit eine Brücke zwischen der europäischen und arabischen Kultur schlägt. Insgesamt hat der Alawi-Verlag gerade mal 9 Titel im Programm, doch die zeugen alle von hoher Qualität. Frau Alawi konnte mir gestern einen interessanten Einblick in das Programm vermitteln. Man merkt, dass das Verlegerehepaar hinter seinen Autorinnen steht. Mit den meisten verbindet sie ein freundschaftliches Verhältnis. Nach meinem Gespräch mit Frau Alawi bin ich überzeugt, dass die verlegten Werke allesamt mit Herzblut geschrieben sind.
Der cass verlag, der sich auf die Veröffentlichung herausragender japanischer Belletristik und Kriminalliteratur spezialisiert hat. Viele Titel aus dem Verlagsprogramm sind in Japan bereits prämiert worden und auch das deutsche Feuilleton hat bereits den einen oder anderen Titel für sich entdeckt und wohlwollend besprochen. Der cass verlag legt großen Wert auf erstklassige Übersetzung und besondere Ausstattung der Bücher. Auch hier konnte mir die Verlagsleitung, Frau Dr. Cassing, einen hervorragenden Überblick über das Programm verschaffen und mich mit ihrer Begeisterung anstecken.
Der Weidle Verlag, dessen Programm sehr vielfältig ist: Literatur der 20er und 30er Jahre, Autobiografien, Sachbücher, Exilliteratur etc. etc. Da ist einiges vorhanden, was in mein Beuteschema passt. Und man kann sicher sein, dass Bücher die aus dem Hause Weidle kommen von hoher Qualität zeugen, wie bereits mehrfache Auszeichnungen beweisen: Krimi-Bestenliste der ZEIT, Bestenliste des SWR, Hotlist-Gewinner 2013, ... Eines der Bücher, das im letzten Jahr auf der Frankfurter Buchmesse große Beachtung gefunden hat - Pulang von Leila S. Chudori - stammt ebenfalls aus dem Hause Weidle. Und auch das aktuelle Programm hält einige Highlights bereit. So lese ich momentan den Roman "Jean Batten, Pilotin" der Neuseeländerin Fiona Kidman. Ein beeindruckender Roman über die neuseeländische "Garbo der Lüfte", die in den 30er-Jahren, der Pionierzeit der Luftfahrt, etliche Flugrekorde geknackt hat. Meine Rezension zu diesem Buch folgt in Kürze.
Und last but not least, der Lilienfeld Verlag, der sich selbst als "Verlag für Entdeckungen" bezeichnet. Der Lilienfeld Verlag konzentriert sich dabei auf "Texte die faszinieren, amüsieren oder ergreifen sollen: Junggebliebenes aus alten Zeiten, Funde aus Archiven und ab und zu auch Allerneuestes."
Ein Bereich des Lilienfeld Verlages, der es mir angetan hat, ist die Reihe "Lilienfeldiana", in der seltene literarische Entdeckungen in besonders schöner Ausstattung präsentiert werden. Da trifft man auf Werke, die in Deutschland bisher unbekannt waren, aber in ihrem jeweiligen Heimatland einen Namen hatten und immer noch haben. Die Reihe "Lilienfeldiana" bildet jedoch nur einen Bruchteil des Gesamtprogramms. Dieses Programm zeichnet sich durch Vielfalt aus. Ein Blick auf die Buchliste lohnt sich allemal. Der Verleger Axel von Ernst konzentriert sich bei seiner Arbeit nicht nur auf das eigene Verlagsprogramm, sondern er widmet einen Großteil seiner Zeit der Szene der unabhängigen Verlage und deren Vermarktung. So ist er seit einigen Jahren für die Organisation der Hotlist verantwortlich und freut sich für jeden Verlag, der es schafft, einen der begehrten 10 Plätze zu ergattern. Nun sollte man meinen, dass der Lilienfeld Verlag mit seinem Programm und seinen Kontakten, gute Chancen hat, bei der Hotlist ganz vorne dabei zu sein. Falsch gedacht. Nicht, dass das Bücher aus dem Verlagsprogramm nicht das Zeug für einen der vorderen Plätze hätten. Doch als Organisator beteiligt sich Axel von Ernst mit seinem Lilienfeld Verlag nicht an diesem jährlichen Wettbewerb. Seine Tätigkeit für das unabhängige Verlagswesen ist demnach "ehrenamtlich" und ich ziehe meinen Hut vor soviel Engagement.
Alles in allem war die Messe text & talk eine sehr gelungene Veranstaltung. Ich hoffe, dass ich mit meinem Bericht den einen oder anderen Leser dazu bewegen kann, sich intensiver mit den Programmen der unabhängigen Verlagen zu beschäftigen. Verdient hat es diese Verlagsszene mit ihrer herausragenden Arbeit auf jeden Fall.
© Renie