Romane, deren Protagonisten bekannte Persönlichkeiten sind, üben eine große Faszination auf mich aus. Der Reiz liegt für mich darin, dass diese Persönlichkeiten mit all ihren Schwächen dargestellt werden, wobei es mir egal ist, ob diese Schwächen angedichtet sind oder tatsächlich vorhanden sind. Es ist doch immer ein gutes Gefühl zu wissen, dass Berühmtheiten auch nur Menschen wie du und ich sind.
In dem vorliegenden Roman "Westlich des Sunset" von Stewart O'Nan geht es um den Schriftsteller F. Scott Fitzgerald, Autor von "Der große Gatsby". Fitzgerald konnte mit seinem Ruhm nicht umgehen und ist daran fast zerbrochen. O'Nan versetzt seinen Helden in die 30er/40er Jahre. Fitzgerald, mittlerweile pleite, alkoholabhängig und tablettensüchtig, versucht sein Glück als Drehbuchautor in Hollywood.
Quelle: Rowohlt |
Auszug aus dem Klappentext:
Hollywood, 1937. Als der amerikanische Schriftsteller Francis Scott Fitzgerald mit eindundvierzig als Drehbuchschreiber nach Hollywood gerufen wird, scheint seine Alkoholsucht unbezähmbar, seine Frau Zelda lebt in einer psychiatrischen Klinik, das Verhältnis zu seiner Tochter ist schwierig. Mit "Der große Gatsby" hat er Weltruhm erlangt, doch das ist lange her. Nun sieht er in der Traumfabrik Hollywood die Chance eines Neuanfangs. ...
Hollywood - ein hartes Pflaster für einen Schriftsteller, der seine besten Zeiten bereits hinter sich hat. Fitzgerald gibt sich der Illusion hin, immer noch einen Namen in Hollywood zu haben. Er baut auf seinen Ruf, der ihm bei den Filmgesellschaften viele Türen öffnen soll. Doch man hat den Eindruck, dass er die Jobs, die er erhält, nur aus Mitleid angeboten bekommt. Man nimmt ihn nicht mehr ernst, wozu auch seine Unbeständigkeit als Folge seiner Alkoholsucht beiträgt. Doch Fitzgerald will sein gesunkenes Ansehen nicht wahrhaben. Noch immer vergleicht er sich mit alten Weggefährten, allen voran Ernest Hemingway, mit dem er sich nie ganz grün war. Hollywood ist ein Dorf. Zwangsläufig begegnet man sich auf Parties und öffentlichen Veranstaltungen. Aber Hollywood ist auch eine Zweiklassengesellschaft. Es gibt diejenigen, die auf der Erfolgswelle reiten und im Rampenlicht stehen. Und dann gibt es Leute wie Fitzgerald, die an ihren alten Erfolgen anknüpfen wollen, aber nicht wahrhaben können, dass die Zeiten des Erfolges längst vorbei sind. Diese Leute werden bestenfalls geduldet, gehören aber nicht mehr zur elitären Gesellschaft Hollywoods dazu.
"Er dachte an den Rausch seines ersten Erfolgs, als alle Welt ihn begehrte, nur dass der verträumte Egoist, der er gewesen war, geglaubt hatte, es würde für immer so bleiben." (S. 181)
Als erfolgreicher Romanautor hat Fitzgerald ein angenehmes und unabhängiges Leben geführt. Als Drehbuchautor ist es vorbei mit seiner Unabhängigkeit. Er ist auf Gedeih und Verderb der Produktionsgesellschaft ausgeliefert. Egal wie gut seine Drehbucharbeit ist, am Ende entscheidet der Produzent über den Inhalt des Drehbuches. Es wird ungefragt gekürzt und gestrichen, so dass das Ergebnis am Ende nur noch herzlich wenig mit der ursprünglichen Arbeit des Drehbuchautors zu tun hat. Aber wer bezahlt, bestimmt auch über Inhalt und Stil des Drehbuches. Kreativität ist an dieser Stelle unerwünscht.
Fitzgerald widerstrebt die Rolle des Drehbuchautors. Aber er hat keine Alternativen. Hoch verschuldet, Ehefrau Zelda in einer kostspieligen psychiatrischen Einrichtung, Tochter Scottie auf dem Internat - Fitzgerald muss nehmen, was er kriegen kann und seine eigenen Bedürfnisse dabei hintenanstellen. Er ist einem enormen Druck ausgesetzt. In Hollywood ist sein Alkoholproblem bekannt. Man lauert förmlich darauf, dass Fitzgerald wieder seine Aussetzer hat und scheitert.
O'Nan bestätigt einmal mehr, dass Hollywood nichts anderes als eine Scheinwelt ist. Einerseits das gern gesehene Bild vom Glamour, andererseits die Kälte, Neid und Missgunst der Reichen und Schönen, die sich in Hollywood tummeln. Hollywood hat etwas Verdorbenes und Zerstörerisches. Die Erfolgreichen können damit umgehen, die Erfolglosen gehen daran zugrunde.
"Trotz ihrer tropischen Schönheit, hatte die Stadt etwas Reizloses, Hartes, etwas Vulgäres, das so unzweifelhaft amerikanisch war wie die Filmindustrie, die durch die endlosen Wellen arbeitshungriger Migranten florierte und ihnen nichts Handfesteres als Sonnenschein bot. Es war eine Stadt der Fremden, doch, anders als in New York, gründete sich der Traum, den L. A. verkaufte, wie in jeglichem Paradies, nicht auf außergewöhnliche Leistungen, sondern auf unbegrenzte Leichtigkeit; ein Zustand, den nur Wohlhabende oder Tote erreichen konnten." (S. 59)
Nostalgie macht sich beim Lesen breit. Man stößt auf Stars wie Humphrey Bogart, Marlene Dietrich, Joan Crawford etc. etc. etc. und auch hier ist es sehr unterhaltsam, dass O'Nan diese schillernden Berühmtheiten des Filmgeschäfts, an die man mit Ehrfurcht zurückdenkt, von ihrem Podest herunterholt und mit allen möglichen menschlichen Schwächen ausstattet.
Beim Lesen hatte ich oft das Gefühl, das Szenario durch einen Filter zu betrachten. Das Leben in Hollywood hat etwas Unwirkliches, als ob es nicht von dieser Welt ist. Fitzgerald ist auf der Suche nach Normalität. Ein "normales" Familienleben, ein "normaler" Beruf, um seine Familie zu ernähren. Aber mit seinem Wunsch nach Normalität wirkt er in Hollywood deplatziert. Diese Normalität findet er auch nicht mehr in seiner Ehe. Die psychische Erkrankung seiner Frau Zelda macht ein "normales" Eheleben unmöglich. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann er sich in eine andere Frau verguckt, die allerdings große Ähnlichkeit mit Zelda aufweist. Es ist der Versuch, an seinem "alten" Leben mit Frau anzuknüpfen. Aber die Beziehung zu seiner "Neuen" scheint nicht zu funktionieren. Sheila, beruflich erfolgreich und unabhängig, ist ihm deutlich überlegen. Fitzgerald nimmt die Beziehung ernster als sie es tut.
"Er glaubte nicht an Scheidung - nicht als Katholik, denn das war er nur noch dem Namen nach, sondern als Romantiker -, und dennoch begriff er, dass, obwohl eine Verbundenheit blieb, der Aspekt ihrer Liebe vorbei war, zerstört durch Wut, Krankheit und Schmerz, durch zu viele Seitensprünge und zu viele getrennte Nächte." (S. 162)
Fitzgerald wird immer mehr zum Loser. Kein Erfolg im Beruf, kein Erfolg in der Liebe. Fitzgerald zerbricht langsam an seinen Misserfolgen und versinkt immer häufiger in seiner Sucht.
Stewart O'Nan beschreibt das Scheitern Fitzgerald mit einer Nüchternheit, die eine große Distanz zu seinem Protagonisten aufkommen lässt. Er beschönigt nichts, bewertet nichts und nennt die Dinge beim Namen. Es kommen weder Mitgefühl für den zerplatzten Traum einer gescheiterten Existenz auf der Suche nach Normalität auf, noch Schadenfreude für den Absturz eines Mitgliedes des Vereins der Reichen und Schönen auf. Es scheint fast so, als ob einen die Geschichte Fitzgeralds gleichgültig lässt. Aber das stimmt nicht. Denn mit Fortschreiten der Handlung wird man feststellen, dass einem die Person Fitzgerald doch näher gekommen ist als man gedacht hat.
Fazit
Dieser Roman liefert eine besondere Mischung aus der Glitzerwelt Hollywoods, Nostalgie und dem Scheitern einer Persönlichkeit. Dabei bedient sich der Autor einer Sprache, die nicht viel mit Glanz und Glamour zu tun hat, sondern eher das Zerstörerische und Unbarmherzige der Stadt der Engel betont. Klare Leseempfehlung!
© Renie
Westlich des Sunset von Stewart O'Nan, erschienen im Rowohlt Verlag
Erscheinungsdatum: März 2016
ISBN: 978-3-498-05045-0
Über den Autor:
Stewart O’Nan wurde 1961 in Pittsburgh/Pennsylvania geboren und wuchs in Boston auf. Er arbeitete als Flugzeugingenieur und studierte an der Cornell University Literaturwissenschaft. Heute lebt er wieder in Pittsburgh. Für seinen Erstlingsroman Engel im Schnee erhielt er 1993 den William-Faulkner-Preis. (Quelle: Rowohlt)