Als Literaturblogger bekommt man immer wieder Bücher zur Rezension angeboten. Es ist natürlich schwierig für einen Autor, aus der breiten Masse der Publikationen hervorzustechen. Nicht jeder verfügt über ein großes Marketingbudget. Da bleibt oft nur die direkte Ansprache von Leuten wie mir, also Lesern, die Rezensionen schreiben. Leider entspricht ein Großteil der mir angebotenen Bücher nicht meinem Lesegeschmack, so dass ich diese meistens ablehne. Als mir David Bielmann jedoch sein Buch anbot, war da sofort dieses Bauchgefühl, dass "Freedom Bar" ein Schatzkästchen von einem Roman sein könnte. Und ich hatte den richtigen Riecher. Denn David Bielmann hat mit "Freedom Bar" einen Roman gezaubert, der meine Erwartungen mehr als übertroffen hat. Und ich hoffe, dass er ganz viele Leser findet, die sich genauso begeistern lassen wie ich.
Worum geht es in diesem Roman?
Freiburg - ein kleines Städtchen in der Schweiz. In der Lausannegasse Nr. 43 steht ein Haus, das im Keller die Freedom Bar beherbergt. Im Erdgeschoss gibt es einen Buchladen. In weiteren Stockwerken befinden sich eine Anwaltskanzlei sowie eine Mietwohnung. Dieses Haus ist der Dreh- und Angelpunkt für die Geschichte um die 3 Protagonisten
- Heinrich alias Henry Schweizer - Betreiber der Freedom Bar.
- Johann Grab - Buchhändler, der sein Glück mehr schlecht als recht mit der Buchhandlung "Wissensarchiv" versucht.
- Bert Buch - erfolgloser Musiker und Songschreiber, der die Mietwohnung in der Lausannegasse Nr. 43 von seiner kürzlich verstorbenen Oma übernommen hat.
Obwohl diese 3 Charaktere in unmittelbarer Nähe zueinander wohnen, haben sie anfangs herzlich wenig miteinander zu tun. Erst im Verlauf der Geschichte kreuzen sich ihre Lebenswege immer häufiger und ihre Schicksale werden miteinander verwoben.
Alle 3 haben eines gemeinsam: Sie sind tragisch-komische Helden. Das Leben hat es bis jetzt weder gut noch schlecht mit ihnen gemeint. Doch wie so oft ist man selten zufrieden mit dem, was man hat. So sehnen sich die Drei nach einem anderen und besseren Leben.
"Es gab Leute, die stets das Ausgefallene suchten, Leute, die befürchteten, zum Durchschnitt zu gehören, der Alltagsmonotonie anheimzufallen, und dann mit verrückten Aktionen irgendetwas tun wollten, und sei es vielleicht nur, um sich die Macht über sein eigenes Leben zu beweisen: Kündigungen aus dem Bauch heraus, plötzliche Reisen ohne Rückflugticket, ein neues außergewöhnliches Hobby, neue etwas spezielle Freunde, Fallschirm- und Seitensprünge." (S. 83)
Henry träumt von einem Leben in Amerika. Amerika ist für ihn das Sinnbild für grenzenlose Freiheit und Unabhängigkeit. Eine erste Chance nach Amerika zu gehen, hat er vor einigen Jahren bereits verpasst. Jetzt versucht er seinen Traum in den 4 Wänden seiner Freedom Bar zu leben.
Johann betreibt seit Ewigkeiten die Buchhandlung "Wissensarchiv". Da er eher Idealist als Geschäftsmann ist, hält er sich mit seiner Buchhandlung mehr schlecht als recht über Wasser. Er hat den Traum, seine Buchhandlung zu einer Quelle des Wissens zu machen, sozusagen "Google" in gedruckter Form. Aber man ahnt es, in Zeiten von Internet und Google, ist an die Umsetzung seines Traumes nicht zu denken. So sitzt er tagtäglich in seiner Buchhandlung und es scheint, dass er sich mit seiner Erfolglosigkeit abgefunden hat. Auch im Privaten läuft es nicht so, wie er gerne hätte. Johann ist zwar glücklich mit Maria verheiratet. Doch die Ehe blieb bisher kinderlos. An Maria liegt es nicht. So scheint Johann an allen Fronten zu versagen: erfolglos im Beruf und Probleme, seinen Mann zu stehen. Es scheint, als ob er sich mit seiner Loser-Rolle abgefunden hat. Nur eines ist ihm wichtig: Maria glücklich zu machen.
Nachdem Berts Oma gestorben ist, übernimmt er ihre Wohnung. Er macht gerade eine Findungsphase durch. Antriebslos, ohne Job, ist er mit der Frage beschäftigt, welche Richtung er auf seinem Lebensweg nehmen soll. Sein Herz schlägt für die Musik. Er träumt von einer Karriere als Rockstar und Songwriter. Dabei besitzt er leider nur wenig Talent. Die Versuche, seine Musik auf der Straße oder bei YouTube zu performen, bringen leider nicht die gewünschte Reaktion seiner Zuhörerschaft. Und dann verliebt sich Bert auch noch - natürlich unglücklich! Ja, auch Bert ist vom Leben gebeutelt: kein Job, kein Talent, keine Perspektive, unglücklich verliebt. Tragisch!
"'Jeder braucht doch ein bisschen Hoffnung, ein paar Träume. Auch wenn sie dann nicht in Erfüllung gehen, es reicht doch schon, wenn man sie nur im Kopf hat. Wenn man sie nicht vergisst. Sonst geht man ja kaputt, verstehst du?'" (S. 184)
David Bielmann zeichnet seine Protagonisten als Verlierertypen, die naiv und träumerisch durch das Leben gehen. Dabei hat man permanent das Gefühl, dass er seine Protagonisten mit einem Augenzwinkern beschreibt. Man schließt sie sehr schnell ins Herz. Die Drei haben ihre Träume und Sehnsüchte von einem anderen und besseren Leben. Und davon weichen sie in keiner Sekunde ab. Man wünscht ihnen, dass es ihnen doch endlich gelingen möge, sich ihre Träume zu erfüllen.
Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven erzählt. Anfangs fragt man sich, welche Verbindung die 3 Charaktere miteinander haben - abgesehen von der räumlichen Nähe. Aber David Bielmann schafft es mit viel Sprachwitz und sehr fantasievoll Spuren auszulegen, die dem Leser den Weg zum weiteren Handlungsverlauf weisen. Man lässt sich dabei gern von ihm führen. Denn durch seinen lebhaften Sprachstil und der Tragik-Komik gerät der Leser in einen mitreißenden Lesefluss. Man will dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen.
"... Unter den sieben Milliarden Menschen, die derzeit auf der Welt lebten, gab es zu jeder Sekunde Tausende, die gerade enttäuscht worden waren, sich eine Träne von der Wange wischten und Trost beim Mond suchten. ... Was immer man auch tat, was immer auch geschah, man war nicht allein, und vielleicht, dachte er weiter, während er in den Sternenhimmel sah, war die Sehnsucht sogar das einzige Gefühl, das man auf sämtlichen Planeten kannte." (S. 147)
Fazit:
" ... eine wunderbare Liebeserklärung an das Leben." So steht es im Klappentext und charakterisiert diesen Roman punktgenau. Man muss nicht in die Ferne schweifen, um eine tolle Geschichte zu erzählen. Denn die tollsten Geschichten schreibt das Leben. Es bedarf nur weniger Zutaten: Menschen und ihre Träume. Wenn diese Geschichte dann noch in einer beeindruckenden Sprache erzählt wird, die nur so vor Sprachwitz sprudelt, stellt man schnell fest, dass man ein Buch erwischt hat, an das man sich immer wieder gern erinnern wird. "Freedom Bar" ist solch ein Buch und macht unweigerlich Lust auf mehr aus der Feder von David Bielmann.
© Renie
Freedom Bar von David Bielmann, erschienen im Riverfield Verlag
Erscheinungsdatum: Februar 2016
ISBN 978-3-9524523-4-9
David Bielmann, geboren 1984, lebt in Rechthalten und arbeitet als Lehrer in Freiburg (CH). »Freedom Bar« ist sein erster Roman im Riverfield Verlag.
Website: www.david-bielmann.ch