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Sonntag, 24. April 2016

Aus dunklen Federn 2 - Horroranthologie, herausgegeben von Sonja Rüther

Neulich gab es bei uns Rote Beete. Der Küchentisch sah in etwa so aus ...





Doch eigentlich ein völlig harmloses Foto, oder? Gemüse, das mit einem Küchenmesser bearbeitet wird. Oder sieht man noch etwas anderes in diesem Foto? Ich gebe zu, manchmal überkommt es mich. Da bekommt dieses banale Verarbeiten von Gemüse eine völlig andere Nuance. Und ich stehe da, mit dem Messer in der Hand, hacke damit auf mein Gemüse ein und lasse meine Gedanken schweifen. Auf einmal ist ein Kohlkopf kein Kohlkopf mehr, das Messer dringt in den Körper ein und der Tisch färbt sich rot. Blutrausch! Ganz schön schräge Gedanken, die ich manchmal beim Kochen habe. Wie gut, dass es nur bei diesen Gedanken bleibt und ich die dunkle Seite meiner Persönlichkeit im Griff habe. Und wie gut, dass es Bücher wie die Horror-Anthologie "Aus dunklen Federn 2" gibt. Denn hier kann ich skrupellos mein Bedürfnis nach Grusel und Horror befriedigen, ohne dass jemand zu Schaden kommt.
Quelle: Briefgestöber

Sonja Rüther hat es mal wieder geschafft. Nach dem Erfolg der Horror-Anthologie "Aus dunklen Federn", die Ende 2014 erschienen ist, hat sie nun einen würdigen Nachfolger herausgebracht: Aus dunklen Federn 2. Wieder konnte sie einige ihrer Autorenkollegen und -freunde "überreden", bei dieser Anthologie mitzumachen. Das Ergebnis sind 16 Geschichten, die meine Horror-Lust mehr als befriedigen. Allen Autoren gelingt es, Horror unterschiedlich zu interpretieren. Die Vielfältigkeit kennt dabei keine Grenzen.

Und genau wie in "Aus dunklen Federn" Teil 1, musste auch jeder Autor seinen zeichnerischen Beitrag leisten. Jeder Geschichte ist eine Zeichnung des Autors, der sie geschrieben hat, vorangestellt. Und die Damen und Herren der schreibenden Zunft haben sich dabei richtig Mühe gegeben, die Ergebnisse können sich sehen lassen. Zeichnungen aus der eigenen dunklen Feder des Autors - persönlicher geht es fast nicht mehr!
"Erst war nur ein leises Quietschen zu hören. Dann kamen zwei Räder mit angerosteten Speichen zum Vorschein, als sich ein verzogener alter Rollstuhl aus der Tür schob. Zwei sehnig faltige Hände griffen in die Räder, trieben sie voran, bis die verkrüppelten Beine gegen das Geländer der Veranda stießen. Und da hockte er, der kleine, böse, alte Mann, die Flinte auf dem Schoß und funkelte böse zu den Hartmanns rüber." (S. 17, aus "Der Groll" von Christian von Aster)
Die Geschichten spielen überall: im Grünen, in der Schule, im Märchen, in Ecuador, in einem selbst, in Büsum, in der Zukunft ...
Die Charaktere in den Geschichten können Leute wie du und ich sein, aber auch Exoten wie Folterknecht, Feen, Hexen, Zombie und Lehrer (Ups!)
Eine bunte Mischung also, es wäre doch gelacht, wenn man sich in dem einen oder anderen nicht wiederfinden könnte.

Was macht diese 16 Geschichten so schön schaurig? Jede Geschichte hat ihren eigenen Horror-Style. Es wird mit Gefühlen gespielt: ob Unbehagen, ohnmächtiger Zorn oder lähmendes Entsetzen; Ekel, Schmerz oder Todesangst. Es gibt Geschichte, die märchenhaft geschrieben sind, ... oder die Ähnlichkeit mit einer Abenteuergeschichte haben. Es gibt die Horror-Dystopie und es gibt die pythoneske Geschichte, die so herrlich schräg und absurd ist, dass man sie ohne weiteres in einem Monty Python-Film wiederfinden könnte. Für jeden Horror-Gusto ist also etwas dabei.
"Er ging gebeugt und sehr langsam, und seine kleinen runden Augen wirkten in dem faltigen Gesicht wie graue Kieselsteine, die man auf knittriges Leder geklebt hatte. Er schwitzte wie ein Tier. Und sein Schweiß war wie Gelee. Zähflüssig rutschte er ihm in großen Tropfen über die Stirn und klatschte in dicken Klümpchen auf sein Hemd. Seine Haare hatten einen unerklärlichen Grünstich und standen starr von seinem Schädel ab. Kleine Zuckerkristalle hingen in seinen Mundwinkeln, und als er den Mund öffnete, war es, als würde er mit jedem Atemzug die Luft in Sirup verwandeln." (S. 48 f., aus "Photosynthese" von Nicole Zöllner)
Viele Geschichten in dieser Anthologie haben den alltäglichen Horror zum Thema. Gerade diese Geschichten aus dem Alltag zeigen ihre besondere Wirkung auf den Leser. Man möchte eigentlich gar nicht daran denken, dass es oft nur ein kurzer Moment ist, der die eigene Komfortzone in ein Horror-Szenario verwandeln kann. Und auf einmal ist nichts mehr wie es war. Allein die Vorstellung, was einem alles passieren kann, lässt einen schaurig schön schaudern.
"Denn es sind immer die dunklen Geschichten, die sich festsetzen." (S. 215, aus "Im Haus des toten Clowns" von Boris Koch)
Wenn man zum Ende dieser Anthologie kommt, hat man das Gefühl, gerade eine Achterbahnfahrt hinter sich gebracht zu haben. Herzklopfen, mulmiges Gefühl in der Magengegend, Adrenalin in allen Poren. Der Nervenkitzel war einfach großartig. Und das ist genau das, was gute Horrorliteratur ausmacht. Der Leser soll sich fürchten und gruseln, seine Fantasie muss mit ihm durchgehen. Und wenn er das Buch zuklappt, muss er das Gefühl haben, dass er großartig unterhalten worden ist. Ein herrliches Gefühl, das fast schon etwas Befreiendes hat! "Aus dunklen Federn 2" hat mir genau dieses Gefühl beschert. Daher: Klare Leseempfehlung!

© Renie


Aus dunklen Federn 2 - HorrorAnthologie, herausgegeben von Sonja Rüther, erschienen bei Briefgestöber
erschienen im März 2016
ISBN:978-3981557473




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