Vater, Sohn und viele Filme
Jesse hat überhaupt keinen Bock mehr auf Schule. Papa Daniel macht ihm einen ungewöhnlichen Vorschlag. Er darf bei Kost und Logis die Schule abbrechen. Muss sich mit Papa aber drei Filme pro Woche anschauen (das hätte mir damals mal jemand vorschlagen sollen).
Als Daniel es nach einiger Zeit Arbeitslosigkeit geschafft hat, einen lukrativen Auftrag zu angeln, fuhr er mit Jesse und dessen Mutter (seine geschiedene Frau) für einen kurzen Tripp nach Kuba. Den Job feiern. Das Aufwachen erfolgte, als sie wieder zurück waren. Der Auftrag hat sich in Luft aufgelöst, Daniel ist pleite.
Doch erst mal geht der Filmclub weiter.
Manche Filme sind eine Enttäuschung, wenn man sie wiedersieht - man muss beim ersten Mal verliebt gewesen sein oder an gebrochenem Herzen gelitten haben, jedenfalls war man wegen irgendetwas besonders aufnahmefähig, aber jetzt, aus einer anderen Perspektive betrachtet, ist der Zauber verschwunden.
Dieses Gefühl befürchtete ich auch, als ich mir nach über 20 Jahren die Abenteuer des David Belfour wieder angeschaut habe. Glücklicherweise blieb der Zauber erhalten. Er gefällt mir heute noch so gut wie damals.
Nur selten haben Vater und Sohn dieselbe Meinung über einen Film oder eine Szene. David, der hier der Ich-Erzähler ist, bekommt mit, dass Jesse Probleme mit Mädchen hat. Eines, das er gerne als Freundin haben möchte, will ihn nicht mehr. Dann findet er eine andere, und plötzlich hat die erste wieder Interesse.
Dass das Thema Filme in der Geschichte so einen großen Raum einnimmt, kommt nicht von ungefähr. David Gilmour ist nicht nur Schriftsteller und Fernsehjournalist, sondern auch Filmkritiker von Beruf.
David Gilmour war ab 1980 vier Jahre lang Chefredakteur des Toronto International Film Festival. Von 1986 bis 1997 arbeitete er als Filmkritiker für den kanadischen Fernsehsender CBC Television.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/David_Gilmour_(Autor)
Es kommen wirklich viele Filme zur Sprache. Manche werden nur benannt, über andere wird ein bisschen erzählt. Wie bei Internal Affairs - Trau ihm, er ist ein Cop mit Richard Gere als korruptem Cop (er kann nicht nur romantisch, nein nein).
Unverschämt gute Unterhaltung. Richard Gere spielt einen korrupten Polizisten. Als ein etwas labiler Kollege (William Baldwin) vor dem internen Ermittlungsausschuss ausgesagt hat, zeigt sich, was für ein exzellenter Bösewicht Gere sein kann. (Besser als in seinen romantischen Hauptrollen.) Mit seinen kleinen Augen ist er der Jago im Los Angeles Police Department. Geres Reglosigkeit - und die moralische Arroganz, die er ausstrahlt - ist absolut hypnotisch. Man begreift, warum dieser Polizist sogar an der Exfrau festhält. Und dass er, in die Enge getrieben, zu allem fähig ist. Ich wies Jesse vor allem auf eine Szene hin: Gere sagt nur ein paar Sätze, ganz beiläufig, ja, fast belustigt, und schon löst er in der Fantasie von Andy Garcia, dem Beamten, der gegen ihn ermittelt, das gesamte Spektrum sexueller Horrorvisionen aus.
Herrlich, ich kann mich an diese Szene erinnern. Ein toller Film. Überhaupt, dieses "allerbeste Jahr" hätte besser "allerbestes Filmjahr" heißen können. Ich hätte dieses Jahr auch gerne mit Gilmour verbracht. So viele Filme, an die ich erinnert werde, Klassiker: Der eiskalte Engel mit Alain Delon, Der Pate mit Al Pacino, Steve McQueen und viele mehr.
Clint Eastwood (noch ein klein wenig regloser, und er wäre tot).
Mehr als ein Jahr ist schon vergangen, seit Jesse die Schule geschmissen hat. Und noch keine Anzeichen, dass er wüsste, was er mit seinem Leben anfangen sollte.
Aber sie hatten den Filmclub. Und viel Zeit, um miteinander zu reden. Über alles mögliche: die 60er Jahre, die Beatles, Mädchen, Adolf Hitler, Dachau, Tattoos, die Themen waren breit gefächert.
David hat zwischenzeitlich auch wieder Arbeit gefunden. Derweil scheint Jesse immer tiefer abzurutschen. Keine vernünftige Arbeit, er raucht zu viel, hat zu oft einen Kater und nimmt Drogen. Und er hat Pech mit den Mädchen.
Wie geht es weiter? Findet Jesse richtig zu sich? Findet er seinen Platz in dieser Welt?
Lest selbst.
Fazit: Jeder liest ja aus einem Buch etwas anderes für sich heraus. Ich denke nicht, dass diese Geschichte die vielen Lobeshymnen wegen der Auflistung der vielen Filmtitel bekommen hat.
Ohne Frage, eine tolle Geschichte, glücklicherweise mit einem positiven Ende. Das habe ich mir einfach gewünscht.
Aber mir hat das Buch halt auch wegen der Filmtitel gefallen. Die Einschätzung der Filme und Schauspieler durch den Filmkritiker Gilmour haben mir unheimlich Spaß gemacht. Viele Filme und Schauspieler, die hier aufgeführt sind, kenne ich. Habe sie seit meiner Jugend gesehen. Einer Zeit, in der ich meinen Lesehunger nicht so stillen konnte, wie ich gerne wollte, weil mir einfach das Geld fehlte, um mir Bücher zu kaufen.
Ich vergebe 10 von 10 Punkten.
Hier gehts zu Miras Buchbesprechung: