Montag, 13. August 2012

Wolfram Fleischhauer: Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend liest sich recht flott. Das liegt daran, dass die ersten Kapitel fast durchweg nur ein bis zwei Seiten haben. Da die Geschichte an einer Uni spielt, hatte ich erst Bedenken, ob ich überhaupt mitkomme, aber es ist toll zu lesen. Matthias ist Literaturstudent und verbringt ein Jahr in Amerika an der Uni Hillcrest. Doch die Kurse, die ihn wirklich interessieren, sind für ihn wegen der Kürze seiner Anwesenheit nicht zugänglich. Und schon gar nicht das elitäre Instituts INAT, von dem immer wieder die Rede ist.
Er bandelt mit der Freundin von David an, der hoch intelligent ist. Und seit er nun fest mit ihr zusammen ist, kommt David immer wieder auf ihn zu.

Bis zur Mitte des Buches wusste ich nicht so richtig, in welche Richtung es geht. Und aus dem Klappentext ist das auch gar nicht rauszulesen. Wenn man danach geht, könnte man sich wirklich vorstellen, dass es hauptsächlich um eine Dreiecksgeschichte geht. Die spielt aber tatsächlich nur am Rande eine Rolle.
Es ging vielmehr darum, was ein Lehrer, der nicht mehr lebt, in der Nazizeit für eine Zeitung für Texte verfasste und wie er damit nach dem Krieg umging. Und vor allem, wie die Lehrerschaft und die Studenten nach Bekanntwerden dieser Tatsache umgehen.

Für diesen umstrittenen Lehrer gibt es sogar ein Vorbild: der 1983 gestorbene Literaturtheoretiker und Philosoph Paul de Man.

Ich hätte mir gewünscht, dass der Fall, um den es hier geht, mehr Raum erhalten hätte. In der ersten Hälfte des Buches geht es hauptsächlich um das Studentenleben und die Anbahnung des Dreiecksverhältnisses. Um Kursauswahl, Bibliotheksrecherchen.
Den spannenden Teil, der ja bis in die Vergangenheit zurückreicht, hätte ich mir ausführlicher gewünscht.